Das Kreuz des Zitronenkraemers
Zeitung berichtet hat?“, fragte Peter hartnäckig nach.
Wieder nickte Hannes nur und kippte die goldbraune Flüssigkeit auf Ex hinunter.
„Verdammt, Hannes Harenberg! Muss ich dir denn alles aus der Nase ziehen? Seit Wochen erfahre ich hier nichts mehr. Was ist hier los? Vielleicht würdest du mir mal alles erklären?“
Hannes schaute Peter an. Mit hochrotem Kopf erwiderte dieser fest seinen Blick. Seine mächtigen Hände trommelten nervös auf die Armlehnen. Er würde sich kein Märchen anhören. Dafür kannte er Hannes zu gut. Aber jetzt war es auch egal. Außerdem war er nicht nur ein Angestellter, seit Jahren verband die beiden eigentlich eine unausgesprochene Freundschaft. Langsam erzählte Hannes die ganze Geschichte. Von dem Mord, von der Suche mit der Polizei, dem plötzlichen Auftreten von Claire, dem verschwundenen Schmuck, den Besitzurkunden und von der Erpressung. Hannes beendete seinen Monolog mit dem Telefonat, das Peter ja mehr oder weniger versehentlich mitgehört hatte.
Nachdenklich trank nun auch Peter einen Cognac. Seine Gesichtsfarbe war inzwischen ins Weiß gewechselt. „Was willst du jetzt tun? Du hast doch keinen blassen Schimmer, wie du Andreas finden kannst? Was willst du dieser Claire erzählen, wenn sie, sagen wir mal in zwei oder drei Stunden hier eintrudelt?“
„Ich weiß es nicht. Verdammt, ich weiß es wirklich nicht.“ Verzweifelt griff Hannes erneut zur Flasche. „Hör auf!“, mahnte Peter und zog ihm sein neu entdecktes Beruhigungsmittel aus der Hand. „Glaubst du etwa, du könntest ihn besoffen finden?“ Er stellte die Flasche zurück ins Regal. „Erzähl mir noch einmal alle Fakten, die ihr habt. Vielleicht kann ich euch helfen.“
Wieder begann Hannes die Geschichte. Mit allen Einzelheiten. Diesmal unterbrach Peter jedoch. „Wie blöd seid ihr eigentlich? Ist doch ganz einfach! Wir werden den Entführer treffen! Wie der Schmuck aussieht, wisst ihr ja jetzt, dank der Besitzurkunde. Dass ihr nur die habt, weiß der Typ ja nicht. Ihr wartet einfach seinen nächsten Anruf ab, beschreibt ein bisschen seinen fabelhaften Schmuck und macht dann ein Treffen mit ihm aus. Natürlich treffen wir ihn auch. Und dann bekommt er was über die Hörner.“
„Toll! Aber glaubst du, er verrät uns dann, wo Andreas ist? Er wird ihn wohl kaum mitbringen. Und ohne den Schmuck wird er ihn auch nicht rausrücken!“
Peter grinste diabolisch. „Mit solchen Schweinen wird man doch fertig. Die Polizei natürlich nicht. Deren Mittel sind begrenzt. Meine jedoch nicht.“
„Wie meinst du das?“, fragte Hannes etwas geschockt.
„Hannes, stell dich doch nicht blöd. Euer Entführer ist das doch auch nicht. So ein abgehackter Finger hat schon manchen zum Reden gebracht!“
„Das kann ich nicht!“, warf Hannes entrüstet ein. „Ich stell mich doch nicht auf die gleiche Stufe wie dieser Schwerverbrecher!“
„Muss man vielleicht ja auch gar nicht. Außerdem habe ich dir doch gerade eben meine Hilfe angeboten. Was glaubst du, was bei mir zuhause manchmal so abgeht. Aber du kannst diesen Andreas natürlich auch verrecken lassen.“
Nachdenklich schaute Hannes Peter an. Wie gut kannte er ihn eigentlich? Bisher hatte er ihn immer für einen rechtschaffenen Bürger gehalten. Doch im Grunde genommen war seine Idee nicht schlecht. Was hatten sie sonst für eine Wahl? Dieser Irre würde auch der Polizei nichts sagen. Und zu zweit könnten sie ihn sicherlich überwältigen. Den Rest müsste allerdings Peter erledigen.
„Ich würde mich freuen, wenn du uns bei dieser Sache unterstützen könntest“, kam es schließlich etwas gepresst aus Hannes heraus. „Wahrscheinlich ist es wirklich die einzige Möglichkeit.“
Hannes dachte an die Besitzurkunde. Anne hatte gestern Abend alles mit nach Hause genommen. Er musste sie anrufen. Ihre Handynummer hatte er nicht im Kopf, aber abgespeichert auf seinem eigenen. Wo war das verflixte Teil nur? Natürlich, im Auto. Wie immer.
*
Anne hatte die kleine Anzeige ausgeschnitten. Der Rest des Blattes lag zusammengeknüllt im Papierkorb. „Anne denk nach!“ Anne sprach mit sich selbst. „Denk nach. Jetzt nur keinen Fehler machen.“ Sie musste strategisch vorgehen. Der Anruf bei Hannes hatte sich als sinnlos erwiesen. Anne hatte zwischen Mailbox und Anrufbeantworter wählen können und sich für keines der beiden entschieden. Claire saß in Düsseldorf und war daher momentan nutzlos.
Sie würde es allein machen müssen.
Entschlossen
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