Das Kreuz des Zitronenkraemers
Wagen waren so voll geladen wie möglich. „Unsere Florentiner gelten auch in Koblenz und Trier, sie entsprechen dem Wert der Gulden, die in den deutschen Fürstentümern üblich sind. Allerdings hat auch jede Stadt noch ihre eigenen Münzen. Meist aus Kupfer. Diese anzunehmen ist gefährlich, denn sie können jederzeit ihren Wert verlieren oder woanders nichts gelten. Sicher ist nur eine Währung in Gold oder Silber“, erklärte Onkel Ambros. „Sieh dir das Buch an. Hier stehen alle Händel, die dein Vater und ich auf unseren Reisen getätigt haben. Eine gute Buchführung ist sehr wichtig für einen Kaufmann. Du siehst, dass der Wert der Ware unterschiedlich ist. Je nach Jahreszeit und Stadt und auch wie viele Händler dieselbe Ware anbieten. Ein großes Angebot drückt den Preis. Bei einer Ware wie der unseren ist selbst das Wetter entscheidend. Nicht nur, ob es eine gute Ernte war, sondern auch, ob es ein heißer Sommer ist und die Menschen die saure Frische unserer Früchte genießen wollen. Aber vielmehr noch, ob ein kalter Winter erwartet wird. Denn du musst wissen, Zitronen verfügen über eine heilende Wirkung bei mancherlei Gebrechen. Sie mischen den Saft unserer Zitronen in ihre Getränke und kochen auch damit. Nur Wohlhabende können sich das leisten. Deshalb reisen wir nach Trier. Der Kurfürst und Erzbischof Philipp Christoph von Sötern liebt Zitronen. Und dort im Norden wachsen sie nicht. Wenn wir mit dem Schiff in Koblenz angekommen sind, werden wir uns auf dem Markt umschauen. Wir müssen sehen, wie die Zitronen in diesem Jahr gehandelt werden. Dann reisen wir weiter über Land nach Trier. An dem Fluss Mosel entlang. Du wirst überall Weinberge sehen, viele davon schon von den Römern angelegt. Moselwein ist sehr begehrt. Unterwegs können wir in den Städten, Gutshäusern und Burgen unsere Ware feilbieten. Das Hauptgeschäft erwartet uns in Trier. Wir haben dort bereits einen Namen. Wir sind ehrliche Händler. Auch das ist wichtig. Merk dir das, ein guter Name ist im Handel von großer Bedeutung. Stell dir vor, man kennt bereits den Namen Carove in Trier, selbst der Erzbischof kennt ihn.“
Ambrosius studierte stolz das Kontobuch. Alle Einträge waren in der feinsäuberlichen Handschrift seines Onkels getätigt. Dieser war es auch, der Ambrosius das Lesen und Schreiben beigebracht hatte, auch für Zahlen hatte der Junge ein Geschick. Rechnen machte Ambrosius Freude.
„Schaut!“ Thomas drehte sich auf dem Kutschbock um und winkte. „Die Stadtmauer von Chiavenna ist bereits zu erkennen!“, rief er. Ambrosius legte das Buch zur Seite. Er sah nach vorn und erspähte die noch fernen Umrisse der Stadt. Sie hatten ihr erstes Etappenziel fast erreicht. In Chiavenna würden sie übernachten. Am nächsten Tag ging es in die Alpen.
Francescas Bruder Benedetto wartete am Stadttor. Thomas hatte vor vier Tagen einen Boten geschickt um ihre Ankunft vorauszumelden. „Ich freue mich dich zu sehen, Schwager! Und dich natürlich auch, Ambros. Wen haben wir denn da? Ist das etwa der kleine Ambrosius?“ „Ich bin nicht klein“, beschwerte sich der Junge prompt, „ich reise mit nach Trier und erlerne den Handel.“ „Schon gut“, lachte Benedetto, „ich wollte dich nur aufziehen.“
Benedetto führte die kleine Reisegruppe durch die engen Gassen der Stadt. Mit den Pferdewagen kamen sie nur langsam voran. Menschen, Karren, Vieh und Abfall versperrten ständig den Weg. Thomas war froh, als sie endlich in den Hinterhof seines Schwagers verschwinden konnten.
Sie spannten die Pferde ab und versorgten sie mit Heu in dem kleinen Stall hinter der Schmiede. Ambrosius schleppte zwei Eimer Wasser heran. Die Wagen waren im Hinterhof gut geschützt, und so musste in dieser ersten Nacht ihrer Reise niemand Wache halten.
Benedetto war der Schmied der Stadt und ein angesehener Bürger. „Morgen früh werde ich mir noch die Eisen und Hufe eurer Tiere ansehen, bevor ihr durch die Berge zieht. Die Wege sollen schlecht sein, es hat viel geregnet in den letzten Wochen.“
Zum Abendessen gab es Ziegenkäse und Brot, es schmeckte köstlich. Die beiden kleinen Söhne von Maria und Benedetto starrten Ambrosius voll unverhohlenem Neid und gleichzeitiger Bewunderung an. Ambrosius platzte schier vor Stolz. Er erklärte ihnen, was Gulden seien und dass es in Koblenz einen großen Markt für allerlei Waren gäbe. „Aus aller Welt!“ Er leerte den Becher mit dunklem Bier in einem Zug. Zuhause hatte er bislang immer nur
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