Das Kreuz des Zitronenkraemers
nass am Rücken. Er musste die Pflanzen gießen. Der Holzeimer plumpste schwer ins Wasser. Und wieder das Seil ziehen. Den gefüllten Eimer wieder herauf. Immerhin war es einfacher als noch im letzen Jahr. Da hatten sie noch das Wasser aus dem See geholt. Der unebene Weg das steinige Ufer hinab waren eine Qual. Und dann war der Eimer nur noch halb voll, wenn man wieder oben war.
Es war die Idee seines Bruders Thomas. Der Brunnen war Gold wert. Wären es doch auch die Zitronen! Es gab leider zu viele in dieser Gegend. Sie würden wieder auf Handelsreise gehen. In den Norden.
„Onkel, Onkel!“ Ambros sprang zur Seite und entkam nur knapp den Hufen des wie wild heranstürzenden Pferdes. „Onkel, ich darf mit, Vater hat es erlaubt!“ Der waghalsige Reiter sprang mit einem Satz vom Pferd. „Was hast du gemacht, Junge, der Braune ist nasser als ein Fisch.“ Ambrosius versuchte, wieder zu Atem zu kommen. „Vater hat es erlaubt. Ich werde mit euch reisen. Ich werde über die Alpen fahren, die Schwytz sehen, den Rhein, die Kurfürstentümer in Deutschland, Koblenz, Trier. Oh, Onkel, ihr habt mir so viel davon erzählt. Ich will alles lernen! Ich werde ein erfolgreicher Händler werden. Ich werde unseren Namen überall bekannt machen! Von den Caroves wird man noch in ein paar hundert Jahren sprechen!“
„Dafür musst du das arme Tier nicht zu Schanden reiten! Was sagt Francesca dazu?“ „Mutter? Sie weiß es noch nicht. Vater will mit ihr sprechen. Aber ich bin nun ein Mann, Onkel, und sie darf es nicht verbieten.“
Der Braune scharrte mit den Hufen im staubtrockenen Boden. Ambros hielt ihm den Eimer hin. Das Pferd trank gierig in großen Zügen.
An diesem klaren Tag konnte man den Monte Legnone sehen. Du weißt nicht, was es heißt, über die Alpen zu reisen, dachte Ambros und betrachtete den grau und steil aufragenden Berggipfel an der Nordseite des Sees.
Sein Neffe stieg bereits wieder auf das klitschnasse Pferd. „Ich muss nach Santa Stefano, Onkel. Vater Giacomo wird mir seinen Segen erteilen. Für die Reise.“
Ambros sah nur noch den Staub hinter den davongaloppierenden Hufen. „Die Zitronen sind erst in ein paar Wochen reif“, rief er ungehört hinterher. Mit einem Kopfschütteln ließ er den Eimer wieder in den Brunnen sinken.
Beim Abendessen herrschte Totenstille. Niemand sprach. Francesca knallte einen Topf mit heißer und duftender Gemüsesuppe auf den großen Holztisch. Thomas fuhr bei dem Geräusch zusammen.
„Francesca, du wusstest, dass es eines Tages soweit kommen würde. Was soll der Junge denn sonst tun? Er wird sich sein Brot verdienen müssen, genau wie wir. Wie oft haben Thomas und ich diese Reise schon unternommen. Und wir sind dank Gottes Fügung immer heil zurückgekehrt. Gott wird auch ein Auge auf Ambrosius haben. Außerdem ist er jung und voller Tatendrang … “, versuchte Ambros zu beschwichtigen.
„Du sagst es, er ist jung, viel zu jung für diese Reise.“ Francesca schnaubte vor Wut. „Wir hatten vereinbart noch zwei Jahre zu warten, Thomas.“ „Er ist 16 Jahre alt, er muss sein Handwerk erlernen. Er wird die Tradition unserer Familie weiterführen und aus diesem Grund muss er auf Reisen gehen.“
Francescas Versuch eines weiteren Widerspruchs wurde vom lauten Knarren der schweren Tür unterbrochen. Herein sprang der Grund des Streits. Ambrosius strahlte: „Ihr glaubt nicht, was Vater Giacomo berichtet hat. Mutter, er hat mir seinen Segen gegeben und gebeichtet habe ich auch, du musst keine Angst haben. Stellt euch vor, Vater Giacomo hat berichtet, dass in Trier das Gewand unseres Herrn Jesu verehrt wird. Von Tausenden von Pilgern. Es befindet sich wirklich dort, Mutter, im Dom zu Trier. Das Gewand besitzt keine Naht, wie es in der Bibel steht. Wie es nach Trier gekommen ist, weiß auch Vater Giacomo nicht, nur, dass es dort aufbewahrt wird. Oh bitte Vater, können wir in den Dom gehen, wenn wir in Trier sind? Ich möchte das Gewand unseres Herrn sehen.“
„Du wirst jetzt zuallererst den Brunnen sehen, geh und wasch deine Hände!“, befahl Francesca. Sie brach einen Kanten des harten dunklen Brotes ab und tauchte es in ihre Suppenschüssel. Über die Reise wurde kein Wort mehr gesprochen.
Fünf Wochen später saß Ambrosius neben seinem Onkel auf dem Kutschbock. Thomas lenkte den ersten Karren voran. Die gelben Zitronen leuchteten in ihren Kisten. Durch die steinigen und zum Teil sehr unebenen Wege wurden sie kräftig durchgeschüttelt. Die
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