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Das Kreuz des Zitronenkraemers

Das Kreuz des Zitronenkraemers

Titel: Das Kreuz des Zitronenkraemers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Bonerz , Johanna Kirchen
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auch als Heilmittel verwendet. Die haben zwar damals noch nichts von Vitamin C gewusst, aber eben trotzdem erkannt, dass diese Früchte ziemlich gesund sein mussten.“
    Anne hob bewundernd die Augenbrauen. „Was du alles weißt.“ Jutta wurde rot. „Na ja, ich interessiere mich nun mal für so was. Auf jeden Fall waren Zitronenhändler angesehene Kaufleute. Die meisten kamen aus Italien, wo sie ihre Ware auch selber anbauten. Musste ziemlich anstrengend gewesen sein, so nur mit Pferdewagen von Italien bis hierher … “
    „Kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen“, stimmte Anne ihrer Freundin zu. „Was machen denn Zitronenkrämer wohl heute?“ „Na, Obsthändler oder so was in der Art.“
    Anne wurde plötzlich ganz aufgeregt.
    „Jutta! Meinst du, es gibt noch Nachkommen von Ambrosius in Trier? Caroves meine ich.“
    „Nein, leider muss ich dich enttäuschen. Habe ich schon gecheckt. Im Telefonbuch. In Trier und auch im ganzen Umkreis gibt es keinen einzigen Eintrag Carove.“
    „Schade“, meinte Anne traurig, „die hätte man bestimmt mal fragen können, wie das so gewesen ist … “
    „Das ist doch Quatsch, Anne. Oder weißt du noch, was deine Vorfahren vor ein paar hundert Jahren getrieben haben?“
    Anne seufzte, da hatte Jutta natürlich auch wieder Recht.
     
    Ambrosius Carove, Teil I
     
    “Bitte Mutter, iss wenigstens einen Löffel davon”, flehte der Mann. „Ich kann doch nicht, lass mich doch damit in Ruhe.“ Mühsam schob er die Hand in ihren Nacken und hob den Kopf der alten Frau etwas höher. Sie zitterte, als er die Schnabeltasse zu ihren Lippen führte. „Dann wenigstens einen Schluck Tee.“ Sie tat ihm den Gefallen. Sie verschluckte sich und hustete erbärmlich. Die Plastiktasse fiel zu Boden. „Ich rufe jetzt den Arzt.“ „Was … soll … der hier, ich bin 96, daran … kann auch ein Arzt … nichts machen.“ Die zittrige Stimme war kaum zu hören. Sprechen konnte so anstrengend sein. Der Mann seufzte hilflos und zog die Vorhänge zu, im Raum wurde es sofort dunkel und es waren nur noch die schemenhaften Umrisse des Krankenbettes zu erkennen. Er tastete sich zum Nachtschränkchen und knipste die kleine Lampe an.
    „Bitte lies mir vor … du weißt schon … aus dem Buch … “
    Der Mann räumte die Schale mit dem mittlerweile kalten und unappetitlich aussehenden Vanillebrei zur Seite. Er kramte seine Brille aus der Hemdtasche und griff zu dem alten Buch auf dem Nachttisch. „Was willst du hören?“ „Alles.“
    Er setzte sich ganz nah ans Bett und ergriff die schlaffe Hand, die sich ihm entgegen streckte. Die weiße Haut wirkte viel zu groß für das magere, knochige Ärmchen. Er schlug die erste Seite auf. Die kleine Lampe leuchtete nur spärlich und er konnte kaum etwas sehen, aber die alte Frau vermochte grelles Licht nicht mehr zu ertragen. Die feinen handschriftlichen Buchstaben waren im Laufe der Zeit verblasst und es fiel ihm schwer, die altertümliche Ausdrucksweise zu übersetzen. Also zog er die Brille wieder aus und legte das Buch auf seinen Schoß. Zärtlich streichelte er den ledernen, abgegriffenen Rücken. Dieses Buch bedeutete ihm alles. Das Tagebuch seines Vorfahren. Er brauchte kein Licht, er kannte den Inhalt auswendig.
    Der Mann schloss die Augen. Seine Gedanken wanderten in die Vergangenheit. So, als hätte er dies selbst alles erlebt, als wäre er dabei gewesen. So, als wäre er selbst Ambrosius Carove.
    Er würde seiner Mutter die Geschichte erzählen. Auch zum hundertsten Mal. So wie sie es früher für ihn getan hatte, als er noch ein kleiner Junge war.
    In seinem Kopf baute sich die italienische Landschaft auf. Stück für Stück. Erst konnte er den See vor sich sehen und dann die Berge. Bald glaubte er den Duft der Zitronenbäume in sich aufsaugen zu können. Er erzählte und nach wenigen Augenblicken beruhigte ihn das gleichmäßige und leise Atemgeräusch seiner Mutter.
     
    *
     
    Es war 1651 in Lenno am Comer See. Es würde eine gute Ernte werden. Die Bäume hingen voller Früchte. Noch waren die Zitronen silbrig-grün und hart. Aber die Sonne brannte heiß vom Himmel und lockte bereits neue Blüten hervor.
    Der See war vollkommen ruhig. Keine Welle unterbrach die wie Glas spiegelnde Wasseroberfläche. Nur hin und wieder strich eine leichte Brise durch die Plantage und streichelte die überladenen Äste.
    Ambros wischte sich den Schweiß von der Stirn. Sein Rock hing über einem Schemel beim Brunnen. Das dünne Leinenwams klebte

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