Das Kreuz des Zitronenkraemers
deiner Verdächtigen – Skala also immer noch auf Nummer 1?“
„Ja, er hat Geldsorgen, das weiß ich. Hat er mir selbst erzählt, er lebt sozusagen vom Pflegegeld seiner Mutter. Ich weiß gar nicht, wie der sich die Jägerei überhaupt leisten kann. Und dann noch der Ärger mit der Neuverpachtung des Reviers. Martin hatte bestimmt Angst, rauszufliegen, hat nämlich Schulden bei Gritzfeld. Mit dem hab ich übrigens auch noch ein Hühnchen zu rupfen. Gritzfeld meine ich, der hatte mir ja gar nichts von der Ausschreibung erzählt. Aus der Zeitung musste ich erfahren …“ Hannes redete sich regelrecht in Rage und bemerkte erst durch ein lautes Räuspern von Claire, dass seine Ärgernisse im Revier jetzt eigentlich nichts zur Sache taten.
„Und Krischel ist ja auch der mit der neuen Waffe.“ „Genau, du sagst es, Anne, und deshalb werde ich den mal unter die Lupe nehmen“, schloss Hannes die Beweissammlung und krempelte sich schon mal vorsorglich die Hemdsärmel hoch.
Claire setzte zum Sprechen an, aber bevor sie auch nur den Mund öffnen konnte, widersprach Hannes bereits ihrem Anliegen: „Nein, du kannst auf keinen Fall mit. Wenn er der Mann ist, den wir suchen, dann kennt er dich doch. Ich könnte doch dann niemals unauffällig was aus ihm rausquetschen. Claire, du musst zurück nach Düsseldorf. Du musst versuchen, irgendwelche Informationen zu diesem alten Schmuck herauszufinden, irgendein Hinweis muss doch zu finden sein.“
„Dann bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als in die Zentrale der Firma Steinmetz einzubrechen, vielleicht findet sich ja in den Akten was. Oder noch besser, in das Haus von Bernd. Ich weiß, dass es einen Tresor gibt.“ Claire schien sich doch tatsächlich ernsthaft mit diesem Gedanken auseinander zu setzen.
„Das kannst du doch nicht wirklich vorhaben“, meinte Anne verblüfft, „du kannst doch keinen Einbruch …“ „Was soll ich sonst tun, keine Sorge, ich habe da schon eine Idee.“ Claires Hirn schien augenscheinlich bereits einen Schlachtplan zu entwickeln.
„Hat Bernd denn allein gelebt?“, fragte Hannes. „Mehr oder weniger“, antwortete Claire zögerlich. „Bernd war nichts für eine feste Beziehung, er hatte hin und wieder mal was laufen, aber alles geheim, sonst wäre das Weltbild seines Vaters vom Mustersohn wahrscheinlich geplatzt und er hätte ihn, genau wie Andreas, auch noch enterbt. Bernd war, wie soll ich sagen, also sozusagen, vom anderen Ufer.“
„Wenn Andreas enterbt war, dann stimmt also, was in der Zeitung gestanden hat, dass es Erbstreitigkeiten gab.“ Anne stellte frische dampfende Kaffeetassen auf den Tisch. „Nein, absolut nicht, ich weiß auch nicht, wie die Presse an diese Informationen gekommen ist, sie sind definitiv falsch. Bernd und Andreas waren ein Herz und eine Seele. Sie haben sich ihr Leben lang sehr gut verstanden. Und Bernd hat Andreas den Erbteil freiwillig ausgezahlt, der ihm zugestanden hat.“ Claire setzte ruckartig ihre Tasse ab und biss sich auf die Lippen. Anscheinend hatte sie sich den Mund verbrannt.
„Aber wenn die beiden sich gut verstanden haben, kannst du dann nicht einfach so in sein Haus?“, wunderte sich Anne. „Nein, ich habe keinen Schlüssel zu seinem Anwesen. Aber auch der würde mir nichts nützen. Sein gesamter Besitz steht unter polizeilichem Verschluss, bis zur Klärung der Mordsache und der Veröffentlichung des Testaments liegt alles auf Eis. Andreas ist, so nehme ich zumindest stark an, Bernds Alleinerbe, das macht ihn natürlich noch verdächtiger, vermutlich kennt die Polizei bislang als einzige den Inhalt des Testaments.“
„Warum ist Andreas eigentlich von seinem Vater enterbt worden?“, wollte Hannes wissen.
Claire überlegte einen Moment bevor sie antwortete. „Ich weiß nicht so recht, Bernd war alles für seinen Vater, Andreas nichts. Bernd hat sich schon früh für das Geschäft interessiert, Andreas nie. Er ist eher der Lebemensch. Geld war ja immer mehr als genug da. Reisen, die Jägerei, Extremsport, Partys. Andreas ist eigentlich nie erwachsen geworden. Er war seinem Vater ein Dorn im Auge, das berühmte schwarze Schaf der Familie. Nach dem Tod der Mutter hat der Vater sofort die regelmäßigen Geldüberweisungen an Andreas gestoppt. Bernd hat ihn seitdem unterstützt.“ Claire seufzte. „Jetzt ist von der Familie nicht mehr viel übrig“, wimmerte sie leise und legte den Kopf in beide Hände. „Ich muss ihn da rausholen. Du hast recht, Hannes, ich werde nach
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