Das Kreuz des Zitronenkraemers
Haarschopf. „Keine Lust, viel zu voll“, gab Jutta zurück.
„Was? Ich glaube, ich habe Wasser im Ohr“, schon versprühte Anne das Wasser aus ihren Haaren auf die kreischende Jutta, als sie ihren Kopf wie auf einem Rockkonzert hin und her schüttelte. „So, jetzt geht’s wieder.“ Anne ließ sich auf ihr Laken sinken. „Was hast du gesagt, hab kein Wort verstanden.“
„Ich sagte, das Becken ist mir zu voll.“ Anne folgte Juttas Handbewegung mit den Augen und besah sich das muntere Treiben im Schwimmbad. „Ja, hat schon irgendwas von Ölsardinen in der Dose, aber eine Abkühlung war es trotzdem. Wärst du so nett, mir mal den Rücken einzucremen? Ich hab ja eh schon einen Sonnenbrand auf den Schultern.“ Anne hielt Jutta auffordernd und mit flehendem Blick die Flasche mit der Sonnenmilch hin.
„Klar, dreh dich um!“
Anne genoss die kühlende Lotion auf ihrem Rücken. „Ach übrigens, Hannes hatte eben angerufen, als du gerade unterwegs zum Wasser warst, hab seinen Namen auf dem Display vom Handy gesehen.“ „Ach ja?“ Anne versuchte ihrer Stimme einen teilnahmslosen Ausdruck zu verleihen. „Ich werde ihn heute Abend zurückrufen, wird schon nicht so wichtig gewesen sein.“ Eigentlich hätte sie ja zu dieser Zeit mit Hannes zusammen im Wald unterwegs sein wollen. Auf der Suche nach Andreas. Aber vielleicht war es besser so, dass Hannes keine Zeit hatte. Sie beide allein im einsamen, dunklen Wald. Das hatte so was Intimes. Nicht, dass noch mal was passiert wäre. Schluss jetzt mit den Gedanken an Hannes, ermahnte Anne sich selbst und wechselte das Thema.
„Um noch mal auf den mysteriösen Rosenstrauß zurückzukommen, meinst du, du könntest diesen Michael mal ein bisschen interviewen? Würde mich schon interessieren, ob der das wirklich war.“
Jutta fackelte nicht lange: „Na klar, ich werde es schon aus ihm rausquetschen, er wird gar nicht merken, dass ich ihn bespitzele, du wirst schon sehen, auf jeden Fall werde ich dich auf dem Laufenden halten.“
„Prima. Weißt du was, ich gehe uns jetzt noch was zu trinken holen, und dann erzählst du mal ein bisschen, was in letzter Zeit bei dir alles so abgegangen ist, wir reden ständig nur über mich.“ Anne fischte ihre Geldbörse aus der Tasche und sah Jutta aufmunternd an. „Na ja, bei dir ist ja auch viel mehr los, in meinem Leben passiert ja nicht wirklich was.“ Jutta senkte traurig den Blick zu Boden. Oje, oje, Alarmstufe Rot, hoffentlich habe ich Jutta jetzt nicht wieder an den Rand einer Depression verfrachtet, dachte Anne erschrocken, ständig hatte sie solche Phasen. Aufmunterung war angesagt. „Ach Quatsch Jutta, lass den Kopf nicht hängen, früher oder später wird sich auch bei dir was tun, glaube ich bestimmt. Wie wär’s mit einem Piccolo, mmh?“ Anne wurde zwar fast schlecht bei dem Gedanken, jetzt Alkohol trinken zu müssen, aber Freundschaften erforderten eben manchmal Opfer. „Okay, du hast recht, nur nicht hängen lassen, ein Gläschen Sekt käme jetzt wahrscheinlich wirklich nicht schlecht.“
Jutta konnte schon wieder lachen.
„Gut“, strahlte Anne nach außen und seufzte innerlich, „dann werde ich mich mal anstellen.“
Das Handy rettete sie. Ohne nachzusehen drückte Anne sofort den Knopf. „Hey Hannes, was ist?“, sie stockte, „Wer? Ach Tom, warum rufen … ist was passiert?“ Anne hielt den Hörer vom Mund und bildete aufgeregt in einer eigens entworfenen Gebärdensprache das Wort „Tom“ zur Erklärung an Jutta. „Ja, ja, ist gut, ich komme sofort, bis gleich.“ Anne stand sprachlos mit dem Handy in der Hand und starrte Jutta verständnislos an. „Ich glaube, das wird nichts mit dem Sekt. Das war Tom, du weißt schon, die Kaminbaufirma bei mir zu Hause. Ich soll sofort kommen, sie haben irgendetwas gefunden, in meinem Kamin. Stell dir mal vor. Alte Papiere, Zeichnungen, irgend so was. Sie können es nicht lesen.“
„Was sagst du da? Alte Papiere? Mensch Anne, weißt du eigentlich, wie aufregend das ist? Vielleicht sind diese Papiere so alt wie das ganze Haus. Wie kannst du nur so ruhig bleiben?“
Anne stand nach wie vor regungslos da mit offenem Mund. „Anne!“ Jutta war aufgestanden und fing an, ihre Sachen zusammenzupacken. „Willst du nicht langsam mal los?“
„Doch, doch, natürlich.“ Anne wurde plötzlich ganz hektisch. „Und weißt du was, du kommst mit! Und unseren Sekt trinken wir heute Abend, wir könnten einen trinken gehen, zum Viehmarkt beispielsweise.“ Jutta
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