Das Kreuz des Zitronenkraemers
Schoss. „So, jetzt halt mal die Luft an, Hannes. Tatatata!“ Mit ihrem selbst erzeugten Trommelwirbel legte Anne ein Bündel alt aussehender Papiere vor ihm ab. „Sieh mal, ist das nicht fantastisch? Das steckte alles in meinem Kamin. Im Luftzug, oder wie das heißt. Und unterschrieben hat das ganze mein lieber Freund Ambrosius.“ „Wer in Gottes Namen ist dein Freund Ambrosius, kenn ich ja gar nicht?“ „Hey, du brauchst nicht eifersüchtig zu werden“, neckte Anne, „Ambrosius ist doch schon ein paar hundert Jahre tot. Du weißt doch, ermordet, beim Zitronenkreuz. Hab ich dir doch erzählt. Du hörst mir einfach nie richtig zu.“ „Ach doch, ich weiß schon.“ Hannes lachte erleichtert. „Ambrosius Carove, ermordet von seinem Diener, sein Wappen ist in deiner Wohnung, über dem Kamin … Moment mal … willst du damit etwa andeuten, dass dieser Carove diese Papiere“, er stierte mit einem Mal ehrfürchtig auf den Packen in seiner Hand, „eigenhändig in deinem Ofen versteckt hat?“ Hannes bekam den Mund vor lauter Staunen gar nicht mehr zu.
„Genau das denken wir“, bestätigte Jutta, „jetzt brauchen wir nur noch jemanden, der diese Schriftstücke entziffern kann. Also, ich kann mit dieser Schreibweise nichts anfangen, leider.“ „Aber du kannst diesen Fund doch nicht einfach jemandem geben!“ Hannes wandte sich wieder Anne zu: „Du hast doch keinerlei Sicherheit. Vielleicht ist das ja wirklich ein bedeutsamer Fund. Wie willst du beweisen, dass er dir gehört? Erinnerst du dich nicht an diese Geschichte, als jemand hier in Trier diesen Haufen römischer Münzen gefunden hatte? Alle Münzen gingen ans Museum, der Finder hat keinen Pfennig dafür gekriegt, wenn ich mich richtig entsinne.“ Hannes kratzte sich nachdenklich am Kopf. Auch Anne überlegte. „Du hast Recht, komm, ich packe sie wieder ein.“ Anne riss Hannes die Dokumente aus der Hand und verstaute sie in der Aktentasche, um sie nicht mehr vom Schoß zu lassen. Verstohlen blickte sie sich um. „Ich weiß sowieso nicht, ob ich damit nicht zur Polizei gehen sollte“, flüsterte sie.
„Wieso denn das? Was soll denn die Polizei damit?“ „Anne glaubt, dass deswegen bei ihr eingebrochen wurde. Und ich muss sagen, ich denke, sie hat Recht, alles spricht dafür“, erklärte Jutta.
Hannes überlegte vor sich hin: „Da könnte tatsächlich was dran sein. Bleibt nur die alles entscheidende Frage: Wer hat gewusst, dass die Dokumente hinter deinem Kamin stecken?“ Fragend zog er die Augenbrauen nach oben. „Du bist ein cleveres Kerlchen, Hannes Harenberg. Genau an dieser Frage beißen Jutta und ich uns auch gerade die Zähne aus.“ Anne seufzte hilflos. „Jemand muss also gewusst, oder zumindest vermutet haben, dass das Carovewappen die Fundstelle markiert. Ähnlich wie das berühmte X auf einer Piratenschatzkarte. Die Papiere waren ja genau hinter dem Wappen im Luftzug des Kamins deponiert. Es muss also jemand gewesen sein, der von der Existenz des Wappens in meiner Wohnung gewusst hat.“
„Also, wenn du damit zur Polizei gehst, dann verschwinden die Papiere vielleicht als irgendein Beweisstück in irgendeinem Archiv und du siehst sie nie wieder.“ Anne sah ihn erschrocken an. „Meinst du wirklich?“ „Klar, was denkst du denn? Vergiss die Polizei und überleg doch mal selbst. Du solltest ein bisschen strategischer vorgehen. Mach eine Liste mit all den Personen, die von deinem Wappen wissen, dann kannst du weiter einkreisen.“
„Dazu kommt dieser mysteriöse Rosenstrauß, ich denke also nicht, dass es einer meiner Freunde war oder jemand, der vorher schon mal bei mir zu Hause gewesen ist.“ „Welcher Rosenstrauß?“ Anne lachte über Hannes verdutzten Gesichtsausdruck. „Stell dir vor, wildfremde Männer wollen mir Rosen schenken und sie tarnen sich und fragen in der Apotheke meines Hauses nach meiner Wohnung.“ „Anne, das ist eigentlich gar nicht lustig.“ Jetzt war Hannes regelrecht besorgt. „Da scheint ja tatsächlich jemand hinter dir herspioniert zu haben. Denk doch nur mal an diese komischen Anrufe! Vielleicht solltest du doch zur Polizei!“ „Die Blumen sind übrigens nie bei mir angekommen. Ich überlege krampfhaft, wem ich von dem Wappen erzählt habe, also irgendwem, der nicht zu meinem engeren Bekanntenkreis gehört.“
„Und da sind wir auf Michael gekommen“, warf Jutta bedeutungsschwer in die Runde. „Er ist Praktikant bei uns in der Bibliothek und hat Altphilologie studiert. Er war
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