Das Kreuz des Zitronenkraemers
Mord zu tun?
Plötzlich fing Paula an zu jaulen und riss Hannes aus seinen Gedanken. „Ich muss los“, verabschiedete er sich verwirrt von Dr. Feld. „Ja, ja, alles Gute“, rief dieser ihm hektisch nach, „falls mir noch etwas einfällt, rufe ich Sie an.“
Hannes sprang ins Auto und machte sich auf den Weg Richtung Zitronenkreuz. Er wählte die offizielle Variante und fuhr brav über den geteerten Weg am Reitstall vorbei. Seine Gedanken kreisten um den Pächter. Seit dem Mordtag hatte er nichts mehr von ihm gehört. Seltsam. Sonst meldete er sich doch für jeden Mist. Und es waren doch wirklich einige wichtige Dinge zu besprechen. Wieso hatte er ihm seine Suche nach einem Mitpächter verschwiegen? Fragen über Fragen liefen durch Hannes Kopf als er auf der Anhöhe über Ensch in der Linkskurve ins malerische Kautenbachtal blickte. Doch was sah er? Wenn man an den Teufel denkt! Zwei dunkle Geländewagen rumpelten langsam durch das lang gezogene Wiesental, versteckt unter gespenstisch wirkenden Nebelschwaden. Hannes stoppte seinen Wagen und beobachtete die Szene durchs Fernglas. Kein Zweifel, Gritzfeld und Krischel! Er verfolgte sie mit den Augen, bis sie schließlich wieder im Wald Richtung Sauerbrunnen verschwanden. Was taten die beiden hier? Warum meldete sich der alte Pächter nicht wie gewohnt bei Hannes an? Er verstand die Welt nicht mehr. Wütend startete Hannes und fuhr die steile Straße den Weinberg hinunter. Wir werden uns heute noch sehen, dachte er und bog kurz vor der Senke rechts ab, um am alten Forsthaus vorbei ins Kautenbachtal zu gelangen. Wie eine alte Kröte hüpfte sein Jagdgefährt durch die Schlaglöcher, bis er schließlich am Sauerbrunnen wieder halbwegs festen Boden unter den Rädern hatte. Die schweren Geländewagen der Mitjäger hatten jedoch ihre Spuren hinterlassen. Hannes folgte ihnen und quälte sein Auto den steilen, geschotterten Waldweg hinauf Richtung Zitronenkreuz. Was wollten die beiden dort oben? Heimlich parkte Hannes am Rande einer Douglasienschonung und beschloss die letzten Meter zum Denkmal zu Fuß zu gehen. Paula ließ er sicherheitshalber im Wagen. Sie warf ihm einen beleidigten Blick nach, aber es nutzte nichts, sie konnte ja nie ihre Schnauze halten. Wie auf der Pirsch schlich Hannes sich eng am Wegesrand bis zur Waldkante heran und wagte einen Blick über die Felder. Dann sah er sie. Besser gesagt ihre Autos. Sie hatten sie am anderen Ende der Wiesen auf der Anhöhe wie auf dem Präsentierteller geparkt. Von den beiden war jedoch keine Spur zu sehen. Vorsichtig lief Hannes unter einigen alten Apfelbäumen hindurch und versteckte sich im dichten Gestrüpp unter einem maroden Hochsitz. Hier würden sie ihn nicht entdecken. Neugierig spähte Hannes zwischen dem schon hochgewachsenen Gras mit dem Glas die Wiesen ab. Ein starker Hase lag in seiner Sasse und widmete sich genüsslich der Grünäsung. Er fühlte sich sichtlich wohl, denn er bewegte sich kaum von der Stelle. Die Welt schien friedlich und ruhig.
Nach einer halben Stunde meldeten sich Hannes Knie. So langsam wurde es ungemütlich in dem Versteck. Hannes änderte seine Position und stellte sich immer noch verdeckt an den Stamm einer jungen Birke. Plötzlich bemerkte er eine Bewegung in dem kleinen Weidenfeld, keine zwanzig Meter vor ihm. Wie gebannt starrte er auf das fast undurchsichtige Grün. Es knackte leise, allerdings hinter ihm. Vorsichtig wollte Hannes sich umdrehen, als er schon einen kräftigen Schlag auf den Hinterkopf verspürte. Ein weiterer Schlag in die Kniekehlen folgte und Hannes kippte nach vorne. „Verdammt“, schrie er noch und bemühte sich, das Gleichgewicht wieder zu erlangen. Verzweifelt versuchte er einen Ast der Birke zu packen. Er schaffte es nicht mehr. Bewusstlos ging Hannes zu Boden.
*
„Kleinen Moment, bitte Frau Seifert!“ Wilhelm Lehnertz zwinkerte Anne ermunternd zu.
„Hallo Joachim“, hörte sie ihn in sein Telefon tröten, „hier ist Willi, hast du einen Moment Zeit? Aber gern doch.“ Er hielt den Hörer vom Ohr und lächelte Anne an. „Er muss nur noch gerade … ah, Joachim, da bist du ja schon wieder. Hör mal, du schuldest mir doch noch einen Gefallen, es geht um folgendes. “
Anne lauschte ihrer eigenen Geschichte. Vom Einbruch in ihre Wohnung über den geheimnisvollen Rosenlieferanten bis zum Fund der Carove Dokumente in Herrn Lehnertz ausschweifenden Ausführungen, mit denen er seinen unsichtbaren Gesprächspartner am anderen Ende der
Weitere Kostenlose Bücher