Das Kreuz des Zitronenkraemers
einer der größten Hektiker, den Hannes kannte. Vielleicht sollte er ihn einmal fragen, ob ihm am Mordtag irgendetwas Seltsames aufgefallen war. Hannes packte die Gelegenheit beim Schopfe und parkte seinen Wagen direkt neben dem Zaun vor einem Kieshaufen und kletterte über eine abgeschnittene Baustahlmatte, die als Tor diente, hinein.
„Hallo!“, begrüßte Hannes den schlanken Herrn und konnte sich ein Grinsen wegen des etwas schief sitzenden Toupets kaum verkneifen. „Oh, Guten Morgen. Wie geht’s? Lange nicht gesehen. Was macht die Jagd? Die Sauen sind fast jede Nacht hier auf dem Platz. Der Schaden ist beträchtlich. Wann macht ihr denn mal wieder eine Drückjagd?“, ratterte er wie eine Maschinenpistole und wedelte aufgeregt mit den Armen. „Im Herbst“, versuchte Hannes ihn zu beruhigen. „Ja? Das ist gut. Mich stört’s nicht, aber Linde unser Platzwart, der regt sich immer fürchterlich auf. Ich glaube, der würde selbst einmal gern den Finger krümmen!“
Gut erkannt, dachte Hannes innerlich. Er hatte schon öfter einen Antrag bei der unteren Jagdbehörde gestellt, um diese Sportstätte zu bejagen. Zum Glück hatte er noch keine Genehmigung erhalten. „Möglich“, bestätigte Hannes leichthin, „gehen Sie immer noch täglich in aller Frühe golfen?“ „Natürlich, natürlich“, ratterte er, „immer morgens bei Sonnenaufgang. Danach hol ich Brötchen für die Familie und koch Kaffee. Hildegard würde sich schrecklich aufregen, wenn ich um diese Zeit schon im Haus herumgeistern würde.“
„Sie haben sicherlich von dem Mord am Zitronenkreuz gehört?“, fragte Hannes vorsichtig.
„Ja, ja. Schreckliche Sache. Sie waren wirklich verdächtig? Unerhört. Hab davon gehört. Ist jetzt alles geklärt?“, erkundigte er sich hektisch. Ob er seine Arme auch ruhig halten konnte?
„Geklärt ist der Fall noch nicht, aber ich konnte sie zum Glück von meiner Unschuld überzeugen.“ „Gott sei Dank! Ich muss oft an den Tag denken. War ja Hochbetrieb an dem Morgen. Hab wie immer Golf gespielt und mich über den regen Verkehr gewundert. Kann man von hier aus ja gut sehen. Hildegard meinte schon, ich sollte die ganzen Autos der Polizei melden. Weiß aber keine Marken oder so, ist also Quatsch.“ Nun wurde Hannes hellhörig.
„Um welche Zeit war das denn? Überlegen Sie mal, können Sie sich denn an die Farben der Fahrzeuge erinnern? Waren es große oder kleine Autos?“, erkundigte Hannes sich aufgeregt.
„Ich hatte gerade geparkt und lud meine Tasche aus dem Auto, da fuhr bereits der erste Wagen hier rauf. Großes nobles Auto, Mercedes oder so.“
„Kam der von der Kahlbach?“
„Ja, ja. Und als ich auf dem Platz war, kam von Bekond so ein blauer Lieferwagen. Stand was drauf, mit buntem Bild auf der Rückwand, hab aber nicht erkannt, was es war. Raste wie ein Irrer hier vorbei. Ist mir aufgefallen, weil er auf einmal wie verrückt knatterte. War bestimmt gerade der Auspuff abgefallen.“
Er schwenkte seinen Golfschläger dabei blitzschnell von rechts nach links, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. „Kurz danach kamen Sie noch und zum Schluss fuhr auch noch dieser Gritzmeier hier vorbei. Vier Autos in einer Viertel Stunde. Sonst kommt höchstens mal eins!“ „Meinen Sie Gritzfeld?“, fragte Hannes erstaunt. „Ja, genau. Gritzfeld heißt er. Seine Frau war mal bei mir in Behandlung“, verbesserte er sich in atemberaubendem Tempo.
Seltsam. Der hatte doch angeblich ein wasserdichtes Alibi. Aber Anne hatte ja auch behauptet, Gritzfeld an jenem Morgen gesehen zu haben. Hannes hakte nach: „Gritzfeld, sind Sie da ganz sicher?“ „Hundertprozentig“, kam es wie aus der Pistole geschossen, „ich hab ihn genau erkannt. Außerdem hat er doch hinten auf der Radabdeckung dieses tolle Bild. Sauen im Schnee, von Manfred Schatz. Hat er mir mal stolz gezeigt.“
Hannes raufte sich die Haare, nun verstand er gar nichts mehr. Wieso war Gritzfeld ihm dann nicht bei der Nachsuche behilflich? Schließlich hatte doch sein Jagdgast die Sau krankgeschossen. Deutlich hatte Hannes noch seine Worte im Ohr: „Es tut mir wirklich leid Hannes. Du weißt doch, das Jahrgedächtnis meines Schwagers. Meine Schwester reißt mir den Kopf ab, wenn ich nicht komme.“ Natürlich war es kein Problem für Hannes, die Nachsuche allein zu machen, Gritzfeld hätte ihn mit seinem schwachen gesundheitlichen Zustand wahrscheinlich sowieso nur behindert. Aber warum hatte er ihn belogen? Hatte etwa er etwas mit dem
Weitere Kostenlose Bücher