Das Kreuz des Zitronenkraemers
durch den Kreuzgang und kniete vor dem weitläufigen Hochaltar in der Kirchenmitte nieder. Er sprach ein kurzes Gebet und wollte sich aufmachen, das Gewand des Herrn zu suchen. Außer ihm waren nur wenige Menschen im Dom. Er fand Seitenkapellen und Nebenaltäre. Wo war das Gewand? Suchend sah er sich um.
„Kann ich Euch helfen?“ Ambrosius traute seinen Ohren kaum. Er besah sich überrascht den jungen und eleganten Mann, gekleidet in einem Rock und Hose aus einfachem Tuch, der ihn in seiner Muttersprache begrüßt hatte.
„Guten Tag, werter Herr!“ Ambrosius grüßte zurück und verbeugte sich kurz. „Ich suche das Gewand des Herrn Jesu, ich habe gehört, es wird hier im Dom aufbewahrt.“
Der Mann lachte laut auf und Ambrosius ärgerte sich. „Darf ich mich vorstellen?“, fragte der Mann, „Mein Name ist Gustavo Boltera und ich bin Student der Jurisprudenz an der hiesigen Universität. Wer seid Ihr?“
„Ambrosius Carove, Zitronenkrämer aus Lenno. Warum lacht Ihr mich aus?“
„Lenno!“, der Mann ergab sich einige Zeit in träumerisches Schweigen. „Wisst Ihr, oft vermisse ich Italien, meine Heimat. Willkommen in Trier, verehrter Landsmann.“ Er besah sich Ambrosius von oben bis unten. „Ich habe Euch nicht ausgelacht. Aber das Gewand Jesu, also der heilige Rock ist den Menschen schon seit über hundert Jahren nicht gezeigt worden.“
Ambrosius zog grübelnd die Stirn kraus und Boltera erklärte weiter. „Viel zu unruhige Zeiten. Das Gewand wäre nicht sicher, wüsste jemand, wo es sich befindet. Seit mehr als 30 Jahren wird Trier von den spanischen Habsburgern, Franzosen und Luxemburgern überfallen. Früher mal hatte die Stadt weit mehr Bewohner als heute. Viele sind den ständigen Kriegshandlungen zum Opfer gefallen. Ich weiß nicht mal, ob sich das heilige Gewand zurzeit in Trier befindet oder woanders versteckt gehalten wird. Manche munkeln, es sei in Koblenz, andere behaupten, es ist in Köln.“
Ambrosius war heillos enttäuscht. Er schluckte ein paar Mal und wurde aber bald von Gustavo wieder aufgemuntert. „Kommt, ich führe Euch dennoch durch den Dom. Wer weiß, vielleicht liegt das Gewand ja doch hinter einer der dicken Mauern!“
Ambrosius folgte seinem neuen Kameraden und war dankbar für dessen Hilfe. Nachdem sie den Dom verlassen hatten, führte Boltera ihn weiter in der Stadt herum. Sie wanderten vom Marktplatz aus in nördliche Richtung. Gustavo wies mit der Hand nach vorn. „Dies ist das schwarze Tor, die Porta Nigra. Heute ist sie eingebunden in zwei Kirchen. Bischof Poppo hatte das ehemalige römische Befestigungstor vor mehr als ein paar hundert Jahren umbauen lassen.“ Ambrosius betrachtete das trutzige Bauwerk. „Kannst du dir vorstellen, dass das Tor ehemals weiß war?“ Nein, das konnte Ambrosius nicht. Er erfuhr, dass die Römer das riesige Doppeltor mit dazwischen liegendem Innenhof aus hellgelben Sandsteinblöcken gemauert hatten. Verbunden sind die einzigen Quader mit in Blei eingegossenen Eisenkrampen. Die riesigen Doppeltürme waren so massiv, dass sie niemals bezwungen worden waren. Erst im Laufe der Jahrhunderte hatten die Steine sich mehr und mehr schwarz verfärbt.
„Bischof Poppo hat den Innenhof der Porta mit einem Dach abgedeckt“, erklärte Gustavo weiter, „durch zusätzliche Balkenanlagen und eingezogene Böden hatte er schließlich zwei große Räume erschaffen.
Der untere Raum dient als Kirche für die Gemeinde, der obere Kirchenraum ist die Stiftskirche des Klosters St. Simeon.“
Ambrosius wäre gern noch weiter mit seinem neuen Freund durch die Gassen gezogen. „Es gibt noch so viel zu sehen in Trier“, schwärmte Gustavo. Aber Ambrosius wurde ungeduldig, der Tag neigte sich bereits dem Abend zu und er hatte ein schlechtes Gewissen, Vater und Onkel so lang allein gelassen zu haben. Aber die Abwechslung durch Gustavo hatte wenigstens zur Folge, dass er nicht so häufig an Giulia denken musste.
„Komm mit, ich stelle dich meiner Familie vor!“ Ambrosius wartete die Antwort erst gar nicht ab und zog Gustavo am Rockärmel zurück zum Marktplatz.
Dort wurde bereits aufgeräumt. Fröhlich wurden die beiden von Thomas begrüßt. „Wir haben gute Geschäfte gemacht, ein, vielleicht zwei weitere Tage und wir haben all unsere Ware verkauft.“
„Vater, darf ich vorstellen“, er zog Gustavo zu sich heran. „Dies ist Gustavo Boltera, ein Landsmann und Student an der Universität von Tier.“
„Guten Tag, junger Herr“, wurde
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