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Das kritische Finanzlexikon

Das kritische Finanzlexikon

Titel: Das kritische Finanzlexikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Wierichs
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als in den Vereinigten Staaten ab. Paradoxerweise sind also nicht diese die »bösen Schuldenmacher«.
    Dieser Widerspruch löst sich auf, wenn man die zweifellos immer noch bestehende wirtschaftliche und militärische Macht der USA ins Kalkül einbezieht. Diese Macht ist so groß, dass man das Land getrost als too big to fail bezeichnen kann. Die pure Kraft und Potenz und der zweifelhafte Nimbus der Unbesiegbarkeit erlauben den Vereinigten Staaten ihr exzessives Schulden-Spiel. (In einer bösartigen Variante dieses Sachverhaltes könnte man es so formulieren: Die Amerikaner haben eine sehr große Armee; wären wir – der Rest der Welt – nicht bereit, den Amerikanern Kredit zu geben, würden ein paar bewaffnete GIs an jeder deutschen, französischen, englischen oder japanischen Haustüre klingeln und die Bewohner von der Sinnhaftigkeit des Kaufs amerikanischer Staatsanleihen überzeugen – freilich gegen das Versprechen auf Rückzahlung und Verzinsung.)
    Die westlichen Länder haben verstanden. Und sie arbeiten eng mit den Amerikanern zusammen. Das rechnet sich. Die »kapitalistische« Welt dominiert den Markt für internationale Kreditgewährung. Die supranationalen Institutionen IWF (Internationaler Währungsfonds) und Weltbank bestimmen die Regeln. Und zwar nicht nur hinsichtlich der Zinskonditionen und Rückzahlungsmodalitäten. Es geht um eine krude Einflussnahme auf das politische und wirtschaftliche Gefüge des Empfängerlandes. Dort müssen die Märkte »liberalisiert« und »geöffnet« werden; »Strukturreformen« sind durchzuführen (vgl. auch → Neoliberale ). Wie die Vergangenheit zeigt, führt dies in den betroffenen Ländern regelmäßig zu einer gigantischen Umverteilung von unten nach oben, denn die breite Bevölkerung trägt letztendlich die entsprechenden Lasten. Das kann schon mal in die eine oder andere → Staatspleite münden. Sinnigerweise hat sich das Spektrum der solchermaßen geknechteten Länder inzwischen erweitert, denn auch europäische Länder sind nun betroffen, allen voran Griechenland und Zypern.
    »Geld regiert die Welt« – so lautet eine alte Volksweisheit. Und je breiter die Geldbasis ist, desto nachhaltiger kann regiert werden. Die Bankensysteme arbeiten daher mit Hochdruck an der Vermehrung des Geldes. Und die funktioniert bisher reibungslos.

Geldschöpfung
    Wer versucht, ein eigenes Geldsystem aufzubauen, wird es irgendwann mit der Staatsmacht zu tun bekommen. Der Staat hat ein Monopol auf das Geldsystem, und das lässt er sich nicht nehmen. In modernen Volkswirtschaften wird dieses Monopol auf die jeweilige Notenbank übertragen, das Prinzip bleibt jedoch gleich. Die Notenbank sorgt für die Geldmittel (und damit für das Aufkommen von Schuldverhältnissen). Allerdings ist damit noch lange nicht Schluss, denn jetzt kommt das Bankwesen ins Spiel.
    Gesetzliche Zahlungsmittel umfassen die Aggregate Bargeld und Buchgeld. In Form von Bargeld kann ein gesetzliches Zahlungsmittel nur durch die Zentralbank (Banknoten) oder – in begrenztem Umfang – durch Staaten (Münzen) geschöpft werden. Wenn in Zeitungsartikeln die Rede davon ist, dass die »Notenpresse angeworfen« wird, müsste also eigentlich eine Erhöhung des Bargeldumlaufs gemeint sein. Meist steht die sprichwörtliche Druckerpresse jedoch für die Vermehrung von Bargeld und Buchgeld, wobei das Buchgeld inzwischen der wesentlich bedeutsamere Faktor ist.
    An dieser Stelle kommen unsere Banken ins Spiel. Auch sie können nämlich Buchgeld schöpfen. Das geht sogar ganz einfach. Buchgeld ist allgegenwärtig. Wir sehen unser Gehalt schon lange nicht mehr in der Lohntüte, sondern als Ausdruck auf einem Kontoblatt beziehungsweise in einer Bildschirmmaske beim Online Banking. Auch die meisten unserer Ausgaben tätigen wir, dank ec-Karte (inzwischen Girocard genannt) oder Kreditkarte, bargeldlos. Und bei Ebay oder iTunes kommt Bargeldzahlung ohnehin nicht mehr infrage.
    Obgleich das Buchgeld uns so wichtig ist und wir es regelmäßig nutzen, möchten wir niemals ganz auf Bargeld verzichten. Denn erstens wollen die meisten nicht gerne beim Bäcker ihre zwei Frühstücksbrötchen per Kreditkarte zahlen (da sind Deutsche, Österreicher und Schweizer übrigens konservativer als Amerikaner, Franzosen oder Niederländer), und zweitens spielt sicherlich auch das »Gefühl« eine Rolle: Wir möchten den Wert des Geldes physisch erleben und damit jederzeit die Gewähr haben, dass unser Geldautomat Euro-Scheine ausspuckt, wenn

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