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Das krumme Haus

Das krumme Haus

Titel: Das krumme Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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komisches Haus, finden Sie nicht auch? Da hat man eine Stiefgroßmutter, die eine ältere Schwester sein könnte. Man kommt sich so blöd vor.«
    Ich verstand ihn ganz gut; ich brauchte nur zurückzudenken, wie überempfindlich ich in Eustace’ Alter gewesen war. Damals war es auch mir entsetzlich gewesen, irgendwie aus dem Rahmen zu fallen, und ich hatte mich grenzenlos geschämt, wenn meine Verwandten vom Normalen abwichen.
    »Und dein Großvater?«, fragte ich. »Hattest du ihn gern?«
    »Großvater war ein unsozialer Mensch!«
    »Inwiefern?«
    »Er dachte nur an seinen Profit. Laurence sagt, das ist ganz verkehrt. Und er war ein großer Individualist. All das muss abgeschafft werden, finden Sie nicht auch?«
    »Nun, er ist ja tot.«
    »Das ist wirklich gut. Ich bin nicht gefühllos; aber in diesem Alter hat man ja doch nichts mehr vom Leben!«
    »Hatte er tatsächlich nichts mehr vom Leben?«
    »Bestimmt nicht. Jedenfalls wurde es Zeit, dass er starb. Er…«
    Eustace brach ab, da Laurence Brown zurückkehrte.
    Laurence machte sich an einigen Büchern zu schaffen; aber ich merkte, dass er mich aus den Augenwinkeln beobachtete. Er blickte auf seine Armbanduhr und sagte: »Du musst Punkt elf wieder hier sein, Eustace. Wir haben in den letzten Tagen viele Stunden versäumt.«
    Eustace hinkte zur Tür und ging pfeifend hinaus.
    Laurence schaute mich wieder an. Er befeuchtete sich die Lippen. Ich war überzeugt, dass er nur ins Schulzimmer zurückgekommen war, um mit mir zu sprechen.
    Nachdem er ziellos Bücher hin und her geschoben hatte, als ob er einen bestimmten Band suchte, fragte er: »Kommen die Leute voran?«
    »Die Leute?«
    »Die Polizei.«
    In seinem Gesicht zuckte es.
    ›Eine Maus in der Falle‹, dachte ich. Laut versetzte ich: »Ich werde nicht eingeweiht.«
    »Ach, ich dachte, Ihr Vater wäre der Kommissar.«
    »Das stimmt. Aber natürlich verrät er mir keine Berufsgeheimnisse. «
    »Dann wissen Sie also nicht, wie… was… ob… Wird man keine Verhaftung vornehmen?«
    »Soviel ich weiß, nein. Aber, wie gesagt, ich habe keine Ahnung.«
    »Sie können sich nicht vorstellen, wie das ist… die Spannung… nichts zu erfahren… Immerzu das Kommen und Gehen… Verhöre… Fragen, die anscheinend gar nichts mit dem Fall zu tun haben…«
    Die Worte hatten sich überstürzt. Ich wartete. Er wollte reden, nun, so mochte er denn reden.
    »Sie waren ja dabei, als der Chefinspektor neulich diese ungeheuerliche Andeutung machte, nicht wahr? Über Mrs Leonides und mich… wirklich ungeheuerlich. Man fühlt sich dabei so hilflos. Man kann nicht verhindern, dass die Leute alles Mögliche denken! Dabei ist alles abscheulich unwahr. Nur weil ihr Mann viel älter war. Die Menschen sind schlecht. Ich habe das Gefühl, dass das Ganze eine abgekartete Sache ist.«
    »Abgekartet?«
    »Mr Leonides’ Angehörige haben nie viel für mich übrig gehabt. Sie rückten immer von mir ab. Es schien mir immer, dass sie mich verachten.« Seine Hände begannen zu zittern. »Nur weil sie reich und mächtig sind. Sie sahen auf mich herab. Was war ich schon in ihren Augen? Nur der Hauslehrer. Nur ein Mann, der sich vom Krieg gedrückt hat.«
    Ich sagte nichts.
    »Und wenn ich mich gedrückt habe?«, platzte er heraus. »Wenn ich Angst hatte? Wenn ich Angst hatte, ich könnte es nicht über mich bringen, einen Schuss abzufeuern? Wie sollte man sicher sein, dass die Kugel einen Nazi treffen würde? Es konnte ja ein durchaus anständiger Kerl sein, der nur seiner vaterländischen Pflicht genügte, der politisch ein unbeschriebenes Blatt war. Ich bin gegen den Krieg, verstehen Sie? Ich halte den Krieg für ein Übel.«
    Ich schwieg immer noch. Ich war der Meinung, dass mein Schweigen wirksamer sein könnte als alle Einwendungen oder Zustimmungen. Laurence setzte sich mit sich selbst auseinander, und dabei enthüllte er viel von seinem Wesen.
    »Immer wurde ich ausgelacht.« Seine Stimme bebte. »Offenbar habe ich irgendetwas an mir, das mich lächerlich wirken lässt. Es fehlt mir nicht an Mut; aber ich mache stets alles verkehrt. Ich stürzte einmal in ein brennendes Haus, um eine Frau zu retten, die nicht herauskonnte. Aber ich irrte mich im Weg, und durch den Rauch wurde ich ohnmächtig, und die Feuerwehr hatte große Mühe, mich zu finden. Ich hörte, wie man sagte: ›Warum hat der dumme Kerl die Sache nicht uns überlassen?‹ Es hat keinen Zweck, dass ich etwas versuche; alle sind gegen mich. Wer Mr Leonides auch getötet hat, es

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