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Das krumme Haus

Das krumme Haus

Titel: Das krumme Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Hand niederzuschlagen. So aber brauchte er gar nicht dabei zu sein und nichts zu sehen.«
    »Ich verstehe«, antwortete ich langsam. »Darum vertauschte er auch das Insulin mit dem Eserin. Glauben Sie, dass er es ohne Brendas Wissen getan hat?«
    »Das würde erklären, wieso sie die Insulinflasche nicht wegwarf. Vielleicht steckt sie aber auch dahinter – ein sanfter Tod für ihren müden, alten Gatten. Doch ich wette, dass sie von der Falle nichts wusste. Frauen verstehen von technischen Dingen nichts und trauen ihnen auch nicht. Der Giftmord war wohl ihre Idee; aber die Ausführung überließ sie ihrem betörten Sklaven.« Taverner machte eine Pause und fuhr dann fort: »Diese Briefe sind etwas für den Staatsanwalt. Wenn das Kind gesund wird, ist alles in schönster Ordnung.« Er warf mir einen Seitenblick zu. »Wie ist einem zu Mute, wenn man mit einer Million Pfund verlobt ist?«
    Ich zuckte zusammen. In der Aufregung der letzten Stunden hatte ich das Testament völlig vergessen.
    »Sophia weiß noch nichts«, erwiderte ich. »Soll ich es ihr sagen?«
    »Soviel mir bekannt ist, wird Gaitskill die traurige oder erfreuliche Nachricht morgen nach der gerichtlichen Untersuchung verkünden.« Taverner machte ein nachdenkliches Gesicht. »Ich bin gespannt, wie die Familie sie aufnehmen wird.«

20
     
    D ie gerichtliche Untersuchung dauerte nur kurz. Wie erwartet, wurde auf Mord von unbekannter Hand erkannt. Und die Polizei mit der Untersuchung des Falles betraut.
    Wir waren in gehobener Stimmung, denn am Abend zuvor hatte Dr. Gray uns mitgeteilt, dass Josephines Verletzungen weniger ernst wären, als man zunächst befürchtet hatte, und dass sie bald wieder gesund sein würde. Vorläufig dürfte niemand sie besuchen, auch ihre Mutter nicht.
    »Vor allem Mutter nicht«, flüsterte Sophia mir zu. »Dr. Gray kennt sie.« Ich muss sie wohl mit einem viel sagenden Blick angesehen haben, denn sie fragte scharf: »Warum schaust du mich so missbilligend an?«
    »Eine Mutter sollte doch wohl…«
    »Es freut mich, dass du so nette, altmodische Vorstellungen hast, Charles. Aber du weißt nicht, wessen meine Mutter fähig ist. Die Gute würde eine große, dramatische Szene spielen. Und dramatische Szenen sind in einem Krankenzimmer nicht gerade am Platz. Manchmal kommt es mir so vor, als ob ich die Mutter von allen wäre.«
    Gedankenvoll betrachtete ich sie. Der alte Leonides hatte offenbar richtig geurteilt. Der Mantel der Verantwortung lag bereits um Sophias Schultern.
    Nach der gerichtlichen Untersuchung begleitete Dr. Gaitskill uns nachhause. Alle versammelten sich in Magdas Salon. Bei dieser Gelegenheit erlebte ich das Gefühl, das ein Regisseur haben muss. Ich wusste ja schon, was Gaitskill vorbringen würde, und ich nahm mir vor, die Reaktionen der einzelnen Familienmitglieder genau zu beobachten.
    Gaitskill las ohne alle Umschweife in trockenem Ton zuerst Aristide Leonides’ Brief und dann das Testament vor. Ich bedauerte, dass ich meine Augen nicht überall haben konnte. Brenda und Laurence beachtete ich nicht weiter, denn für Brenda hatte sich durch dieses Testament nichts geändert. Vor allem nahm ich Roger und Philip aufs Korn, an zweiter Stelle Magda und Clemency.
    Mein erster Eindruck war, dass alle sich sehr gut hielten. Philip presste die Lippen fest zusammen, er sagte keinen Ton.
    Magda dagegen brach sogleich in einen Wortschwall aus, nachdem Gaitskill geendet hatte. Ihre volle Stimme klang klar durch den Raum. »Sophia, mein Liebling, wie seltsam, wie romantisch! Wenn man denkt, wie schlau Papa uns alle getäuscht hat! Traute er uns nicht? Er schien Sophia nicht mehr zu lieben als uns alle. Das Ganze ist wirklich sehr dramatisch!« Unvermittelt sprang sie auf, tänzelte durchs Zimmer und machte vor Sophia einen Hofknicks. »Madame Sophia, deine arme Mutter bittet um ein Almosen.« Ihre Stimme nahm einen vulgären Tonfall an. »Bitte ein paar Münzen, mein Kind. Deine Mutter möchte ins Kino gehen.« Ohne sich zu rühren, sagte Philip mit steifen Lippen: »Ich bitte dich, Magda, wir haben keine Veranlassung zu Späßen.«
    »Ach, aber Roger!«, rief Magda plötzlich und wandte sich an Roger. »Du Ärmster! Papa wollte dich retten, und nun ist er gestorben, ohne etwas für dich tun zu können. Du bekommst ja gar nichts! Sophia, du musst Roger unbedingt helfen!«
    »Nein«, sagte Clemency mit trotziger Miene und trat einen Schritt vor. »Nichts. Gar nichts.«
    Wie ein großer, plumper Bär ging Roger zu

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