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Das krumme Haus

Das krumme Haus

Titel: Das krumme Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Sophia hinüber und ergriff liebevoll ihre Hände.
    »Ich will keinen Penny, mein liebes Kind. Sobald hier alles in Ordnung ist, fahre ich mit Clemency nach Barbados und beginne ein einfaches Leben. Wenn ich jemals in wirkliche Not gerate, werde ich mich an das Familienoberhaupt wenden…« Er lächelte sie gewinnend an. »Aber bis dahin will ich keinen Penny.«
    Unerwarteterweise mischte Edith de Haviland sich ein: »Das ist ja alles gut und schön; doch du musst auch daran denken, wie andere Leute die Sache sehen. Man wird über Sophia klatschen, wenn ihr einfach fortgeht.«
    »Was kümmert uns die öffentliche Meinung?«, entgegnete Clemency zornig.
    »Wir wissen, dass du danach nicht fragst«, sagte Edith scharf, »aber Sophia lebt in dieser Welt. Sie hat Verstand und Herz, und Aristide hat meiner Meinung nach richtig gehandelt, als er das Wohlergehen der Familie in ihre Hände legte. Sie muss Roger beispringen.«
    Roger umarmte seine Tante und streichelte sie.
    »Du bist lieb, Tantchen; aber du verstehst uns immer noch nicht. Clemency und ich wissen, was wir wollen, und was wir nicht wollen.«
    »Niemand von euch versteht Roger!«, rief Clemency, deren Wangen sich gerötet hatten. »Ihr habt ihn nie verstanden! Komm, Roger.«
    Sie gingen hinaus. Gaitskill blickte ihnen missbilligend nach. Meine Augen schweiften endlich zu Sophia. Sehr aufrecht, mit vorgestrecktem Kinn und ruhigem Blick stand sie am Kamin. Sie hatte soeben ein ungeheures Vermögen geerbt; doch ich dachte als Erstes daran, wie einsam sie plötzlich geworden war. Zwischen ihr und ihren Angehörigen hatte sich eine Schranke erhoben. Ihr Großvater hatte ihr eine schwere Bürde auferlegt, und sie schien sich darüber klar zu sein. Schon jetzt spürte man hinter der Zuneigung der anderen eine latente Feindseligkeit. Es kam mir so vor, dass sogar in Magdas Spiel versteckte Bosheit gelegen hatte. Andere, noch dunklere Unterströmungen waren nur noch nicht an die Oberfläche gedrungen.
    Gaitskill räusperte sich und begann gemessen: »Gestatten Sie mir, Ihnen zu gratulieren, Miss Sophia. Sie sind jetzt sehr reich. Ich möchte Ihnen raten, nicht überstürzt zu handeln. Für die laufenden Ausgaben kann ich Ihnen Bargeld vorstrecken, wenn es nötig ist. Wenn Sie die späteren Arrangements mit mir besprechen wollen, berate ich Sie sehr gern. Überlegen Sie sich alles in Ruhe.«
    »Roger…«, hob Edith hartnäckig an.
    Gaitskill fiel schnell ein: »Roger kann für sich selbst sorgen. Er ist erwachsen, vierundfünfzig Jahre alt, wenn ich mich nicht irre. Und Aristide Leonides hatte Recht: Roger ist kein Kaufmann.« Er sah Sophia an. »Wenn Sie die Lebensmittel-AG wieder sanieren, dürfen Sie sich ja nicht der Hoffnung hingeben, dass Roger sie erfolgreich leiten wird.«
    »Es fällt mir nicht im Traume ein, die Lebensmittel-AG zu sanieren.« Sophia, die zum ersten Mal etwas äußerte, sprach klar und sachlich. »Das wäre ja Wahnsinn.«
    Gaitskill lächelte unmerklich. Er verabschiedete sich reihum und verließ das Zimmer.
    Eine Weile herrschte Schweigen. Dann erhob Philip sich steif und sagte: »Ich muss an meine Arbeit zurückkehren. Ich habe viel Zeit verloren.«
    »Vater…« Sophias Ton klang unsicher, beinahe flehend.
    Ich sah, dass sie erbebte und zurückzuckte, als Philip sie kalt und feindlich ansah.
    »Du musst entschuldigen, dass ich dir nicht gratuliert habe«, sagte er. »Für mich war es ein ziemlicher Schock. Ich hätte nicht gedacht, dass mein Vater mich so demütigen würde, dass er meine lebenslange Liebe so missachten könnte.« Zum ersten Mal durchbrach der natürliche Mensch die Eiskruste der Zurückhaltung. »Mein Gott«, rief er, »wie konnte er mir das nur antun? Er war immer ungerecht zu mir, immer!«
    »Ach nein, Philip, nein, das darfst du nicht denken«, rief Edith. »Alte Leute fühlen sich sehr oft zur jungen Generation hingezogen. Außerdem war dein Vater durch und durch Geschäftsmann…«
    »Er hat sich nie etwas aus mir gemacht.« Philips Stimme war heiser. »Alles drehte sich nur um Roger. Nun, wenigstens…« Hohn spiegelte sich plötzlich auf seinen Zügen, »wenigstens war sich Vater darüber klar, dass Roger nichts taugt. Roger hat auch nichts bekommen.«
    »Und ich?«, meldete Eustace sich zum Wort.
    Bis jetzt hatte ich Eustace gar nicht beachtet; doch nun merkte ich, dass er infolge einer heftigen Gemütsbewegung zitterte. Er schien sogar Tränen in den Augen zu haben.
    »Es ist eine Schande!«, schrie er mit bebender

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