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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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konnten?
    Was hätte er auch sagen sollen? Dass die Intelligenz die blinde Gewalt der Evolution mit ihrem Nachdruck auf Mutation, Kampf und Tod überwinden und übertreffen konnte? Dass durch bewusste Zusammenarbeit mehr geleistet wurde als durch den wildesten Konkurrenzkampf? Dass Azad so viel mehr sein könnte als ein bloßer Kampf, wenn es benutzt würde, um zu artikulieren, zu kommunizieren, zu definieren…? Er hatte das alles getan, das alles gesagt und besser gesagt, als er es jetzt würde sagen können.
    »Sie haben gesiegt, Gurgeh.« Nicosars leise Stimme klang rau, brach beinahe. »Ihre Rasse wird niemals siegen.« Er wandte sich ihm wieder zu, blickte auf ihn hinab. »Sie armer, kläglicher Mensch. Sie spielen, aber Sie verstehen das alles nicht, oder?«
    Gurgeh hörte aus der Stimme des Apex etwas wie echtes Mitleid heraus. »Ich glaube, Sie sind zu dem Schluss gekommen, dass ich es nicht verstehe«, sagte er zu Nicosar.
    Der Kaiser lachte, sah wieder zu der fernen Widerspiegelung des kontinentweiten Feuers, das immer noch unterhalb des Horizonts war. Das Lachen erstarb in einem Husten. »Ihre Sorte wird es niemals verstehen. Sie werden stets nur benutzt werden.« Er schüttelte in der Dunkelheit den Kopf. »Kehren Sie in Ihr Zimmer zurück, Morat. Ich sehe Sie morgen Früh.« Das Mondgesicht starrte zum Horizont und dem rötlichen Glühen auf der Unterseite der Wolken hin. »Bis dahin sollte das Feuer hier sein.«
    Gurgeh wartete einen Augenblick lang. Es war, als sei er bereits gegangen. Er fühlte sich entlassen, vergessen. Schon Nicosars letzte Worte hatten geklungen, als seien sie im Grunde nicht für Gurgeh bestimmt.
    Der Mensch stand ruhig auf und kehrte durch den matt beleuchteten Turm zurück. Die beiden Leibwächter standen stocksteif außerhalb der Tür am Fuß des Turms. Gurgeh blickte nach oben und entdeckte Nicosar auf der Zinne, das flache, blasse Gesicht dem sich nähernden Feuer zugekehrt, die weißen Hände um den kalten Stein geklammert. Der Mensch sah ihn sich ein paar Sekunden lang an. Dann drehte er sich um und ging, schritt die Korridore und Gänge entlang, wo die kaiserlichen Gardisten patrouillierten, jeden auf sein Zimmer schickten und die Türen verschlossen, alle Treppen und Aufzüge kontrollierten und alle Lampen einschalteten, sodass die stille Burg in der Nacht leuchtete wie ein großes steinernes Schiff auf einem dunkelgoldenen Meer.
    Gurgeh betrat sein Zimmer. Flere-Imsaho, der die Fernsehkanäle durchging, fragte ihn, was die Aufregung in der Burg zu bedeuten habe. Gurgeh sagte es ihm.
    »So schlimm kann es nicht sein«, meinte der Roboter mit einem Wackel-Achselzucken. Er betrachtete wieder den Schirm. »Es wird keine Kriegsmusik gespielt. Allerdings geht keine Kommunikation mehr hinaus. Was ist mit Ihrem Mund passiert?«
    »Ich bin hingefallen.«
    »Hm-hmm.«
    »Können wir Kontakt mit dem Schiff aufnehmen?«
    »Natürlich.«
    »Sagen Sie ihm, es soll beschleunigen. Wir werden es vielleicht brauchen.«
    »Ach du meine Güte, sind Sie auf einmal vorsichtig! Das geht in Ordnung.«
    Gurgeh ging zu Bett, lag jedoch wach und horchte auf das anschwellende Brausen des Windes.
     
    Oben auf dem hohen Turm betrachtete der Apex mehrere Stunden lang den Horizont, mit dem Stein verbunden wie eine blasse Statue oder ein Bäumchen, geboren aus einem angewehten Samenkorn. Der Ostwind frischte auf, zerrte an den dunklen Kleidern der unbeweglichen Gestalt, heulte um die dunkel-helle Burg und fuhr wie Meeresrauschen durch den Baldachin schwankender Zunderpflanzen.
    Der Morgen graute. Zuerst wurden die Wolken hell, dann färbte sich der Rand des Horizonts im Osten golden. Gleichzeitig blitzte plötzlich in der westlichen Finsternis, wo der Rand des Landes rot glühte, ein grelles, brennendes Gelborange auf, schwankte und zögerte und verschwand, kehrte zurück, wurde heller und breitete sich aus.
    Die Gestalt auf dem Turm zog sich vor dieser größer werdenden Lücke in dem rot-schwarzen Himmel zurück. Sie warf einen kurzen Blick über die Schulter auf die Morgendämmerung und zögerte unsicher, als sei sie zwischen den rivalisierenden Lichtströmen, die da und dort vom Horizont flossen, gefangen.
     
    Zwei Gardisten kamen vor die Tür, schlossen sie auf und kamen ins Zimmer. Sie teilten Gurgeh mit, er und die Maschine würden in der Halle verlangt. Gurgeh trug seine Azad-Robe. Die Wächter sagten ihm, der Kaiser wünsche, dass sie für das Spiel dieses Morgens die Staatskleidung

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