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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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vielmehr in ihn eingesunken, war weniger offensichtlich, aber verinnerlichter geworden. Wie schön war dieses Spiel gewesen, wie sehr hatte er es genossen, wie hatte er darüber frohlockt… aber nur, indem er versuchte, es zu einem Ende zu bringen, nur, indem er dafür sorgte, dass die Freude kurzlebig war. Ob Nicosar es bereits erkannt hatte? Er musste zumindest einen Verdacht haben. Gurgeh setzte sich auf ein Steinbänkchen.
    Plötzlich kam ihm zu Bewusstsein, dass Nicosar ihm fehlen würde. Er fühlte sich dem Kaiser in mancher Beziehung enger verbunden als jemals einem anderen. Durch das Spiel war eine tiefe Intimität zwischen ihnen beiden entstanden, ein Teilen von Erfahrungen und Gefühlen, dem nach Gurgehs Meinung keine andere Beziehung gleichkommen konnte.
    Schließlich seufzte er, stand von der Bank auf, trat wieder an die Brüstung und blickte auf den Plattenweg am Fuß des Turms hinunter. Dort standen zwei kaiserliche Gardisten, undeutlich sichtbar, solange aus der offenen Tür des Turms Licht fiel. Ihre blassen Gesichter waren nach oben gekehrt, sahen zu ihm hoch. Er war sich nicht sicher, ob er winken solle oder nicht. Einer von ihnen hob den Arm; ein helles Licht leuchtete Gurgeh an, der die Augen abschirmte. Eine dritte, kleinere, dunklere Gestalt, die Gurgeh vorher nicht bemerkt hatte, näherte sich dem Turm und betrat ihn durch den erhellten Eingang. Die Taschenlampe wurde ausgeschaltet. Die beiden Leibwächter bezogen Posten zu beiden Seiten der Turmtür.
    Schritte erklangen innerhalb des Turms. Gurgeh setzte sich wieder auf die Steinbank und wartete.
    »Morat Gurgeh, guten Abend.« Es war Nicosar, die dunkle, leicht gebeugte Gestalt des Kaisers von Azad trat aus dem Turm.
    »Euer Hoheit…«
    »Setzen Sie sich, Gurgeh«, sagte die leise Stimme. Nicosar setzte sich zu Gurgeh auf die Bank. Sein Gesicht, nur von dem schwachen Schein aus dem Treppenschacht des Turms beleuchtet, schwebte wie ein undeutlicher weißer Mond vor ihm. Gurgeh fragte sich, ob Nicosar ihn überhaupt sehen könne. Sein Mondgesicht drehte sich von ihm weg, dem karminroten Schmierstreifen zu, der über den ganzen Horizont lief. »Es hat ein Attentat auf mein Leben stattgefunden, Gurgeh«, teilte der Kaiser ihm ruhig mit.
    »Ein…«, begann Gurgeh entsetzt. »Ist Eurer Hoheit auch nichts geschehen?«
    Das Mondgesicht schwang zurück. »Ich bin unverletzt.« Der Apex hob die Hand. »Bitte, jetzt nichts von ›Eurer Hoheit‹. Wir sind allein; es ist keine Verletzung des Protokolls. Ich wollte Ihnen selbst erklären, warum die Burg unter Kriegsrecht gestellt wurde. Die kaiserliche Garde hat den Befehl übernommen. Ich erwarte keinen weiteren Angriff, aber man muss vorsichtig sein.«
    »Wer tut denn so etwas? Wer greift Sie an?«
    Nicosar wandte den Blick nach Norden und den unsichtbaren Hügeln zu. »Wir glauben, die Schuldigen könnten versucht haben, entlang dem Viadukt zu den Stauseen zu entfliehen. Deshalb habe ich auch dorthin Gardisten gesandt.« Langsam wandte er sich ihm wieder zu, und seine Stimme klang sanft. »Das ist eine interessante Situation, in die Sie mich gebracht haben, Morat Gurgeh.«
    »Ich…« Gurgeh seufzte, sah auf seine Füße. »… ja.« Er hob den Blick zu dem Kreis des weißen Gesichtes vor sich. »Es tut mir Leid. Ich meine, dass es… beinahe vorüber ist.« Er hörte seine Stimme ersterben und ertrug es nicht, Nicosar anzublicken.
    »Nun, wir werden sehen«, antwortete der Kaiser gefasst. »Mag sein, dass ich morgen Früh eine Überraschung für Sie habe.«
    Das verblüffte Gurgeh. Das verschwommene blasse Gesicht vor ihm war zu undeutlich, als dass er seinen Ausdruck hätte lesen können, aber konnte Nicosar das ernst meinen? Der Apex musste doch sehen, dass seine Position hoffnungslos war! Hatte er etwas bemerkt, das Gurgeh nicht aufgefallen war? Sofort fing er an, sich Sorgen zu machen. War er sich seiner Sache zu sicher gewesen? Niemandem sonst war etwas aufgefallen, nicht einmal dem Schiff. Wenn er nun Unrecht hatte? Er wollte das Brett noch einmal sehen, aber das unvollkommen detaillierte Bild, das er immer noch im Kopf trug, war genau genug, um ihm den Stand der Dinge zu zeigen. Nicosars Niederlage war implizit, aber sicher. Gurgeh war überzeugt, dass es keinen Ausweg für den Kaiser gab. Das Spiel musste vorbei sein.
    »Sagen Sie mir etwas, Gurgeh«, bat Nicosar ruhig. Von neuem wandte sich der weiße Kreis Gurgeh zu. »Wie lange haben Sie tatsächlich für das Spiel gelernt?«
    »Wir

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