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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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kleinen Sensor blickte, der ihm verraten sollte, ob irgendwo Überwachungsgeräte installiert waren. Es gab keine.
    Er blieb an einem Fenster stehen, sah hinaus und rieb sich geistesabwesend über eine kleine schrumpelige Narbe auf der Brust, die nicht mehr da war.
    »Zakalwe?«, sprach ein winziges Stimmchen aus der Gegend seiner Brust. Er sah hinab und nahm ein Ding wie eine Perle aus einer seiner Hemdtaschen. Er klemmte es sich ans Ohr, nahm die Brille ab und steckte diese stattdessen in die Tasche.
    »Hallo.«
    »Ich bin’s, Diziet. Alles okay bei dir?«
    »Ja. Ich habe eine Unterkunft gefunden.«
    »Prima. Hör zu, wir haben etwas entdeckt. Eine tolle Sache.«
    »Was?«, fragte er und lächelte über die Erregung, die in Smas Stimme mitschwang. Er drückte auf einen Knopf, um die Vorhänge zu schließen.
    »Vor dreitausend Jahren gab es einen Burschen, der ein berühmter Dichter wurde; er schrieb auf Wachstafeln, die in Holzrahmen eingelassen waren. Er schuf eine Gruppe von einhundert kurzen Gedichten, von denen er mit unerschütterlicher Überzeugung behauptete, sie seien das Beste, was er je geschrieben habe. Doch er fand keinen Verleger und beschloss schließlich, stattdessen Bildhauer zu werden. Er schmolz das Wachs von achtundneunzig der hundert Tafeln – wobei er die Nummer eins und die Nummer hundert aufbewahrte –, um ein Wachsmodel zu schnitzen, danach eine Hohlform aus Sand darum herum anzufertigen und eine Bronzestatue zu gießen, die es immer noch gibt.«
    »Sma, kommt noch eine Pointe?«, sagte er, während er einen anderen Knopf drückte, um die Vorhänge wieder zu öffnen. Ihm gefiel die Art, wie sie rauschten.
    »Warte doch! Als wir Voerenhutz entdeckten und die bei jedem Planeten übliche umfassende Anfangserkundung per Scanner durchführten, fertigten wir natürlich auch ein Holo von der Bronzestatue an; wir fanden in einer Ritze einige Spuren des Sandes von der Original-Gussform und des Wachses.«
    »Und es war nicht das richtige Wachs!«
    »Genau! Es passte nicht zu den beiden erhaltenen Tafeln! Also wartete die AKE, bis das gesamte Rasterbild fertig war, dann machte sie sich an die detektivische Arbeit. Der Bursche, der die Bronze gemacht und die Gedichte geschrieben hatte, ist später Mönch und schließlich Abt eines Kloster geworden. Während seiner Amtszeit wurde dort ein Trakt angebaut, und der Legende zufolge pflegte er sich in diesen zurückzuziehen und Betrachtungen über die achtundneunzig verschwundenen Gedichte anzustellen. Das Gebäude hat eine doppelte Mauer.« Smas Stimme hob sich triumphierend. »Rate mal, was sich in dem Zwischenraum befindet?«
    »Eingemauerte ungehorsame Mönche?«
    »Die Gedichte! Die Wachstafeln!«, schrie Sma. Dann dämpfte sie die Stimme wieder etwas. »Nun, wenigstens die meisten. Das Kloster ist vor einigen hundert Jahren verlassen worden, und es sieht so aus, als hätte ein Hirte irgendwann einmal an einer Mauer ein Feuer entzündet und so drei oder vier der Tafeln geschmolzen… Aber die anderen sind da!«
    »Ist das gut?«
    »Zakalwe! Damit ist einer der größten verloren geglaubten literarischen Schätze des Planeten wieder aufgetaucht! Die Universität von Jarnsaromol, wo dein Kumpel Beychae sich rumtreibt, besitzt die meisten Pergamentmanuskripte des Burschen sowie die anderen beiden Tafeln und die berühmte Bronzestatue. Sie würden alles geben, um in den Besitz dieser übrigen Tafeln zu kommen! Begreifst du nicht? Es ist einfach toll!«
    »Hört sich nicht schlecht an, wie mir scheint.«
    »Verdammt, Zakalwe! Mehr fällt dir dazu nicht ein?«
    »Dizzy, hör zu! Eine solche Glückssträhne dauert nicht lange, sie leiert aus.«
    »Sei doch nicht so pessimistisch, Zakalwe.«
    »Okay, ich werde mich bessern«, seufzte er und schloss die Vorhänge wieder.
    Diziet Sma ließ einen Laut der Verärgerung vernehmen. »Na ja, ich dachte, ich erzähle es dir. Wir machen uns bald auf den Weg. Schlaf gut.«
    Ein Piepsen zeigte an, dass die Verbindung unterbrochen war. Er lächelte wehmütig und ließ das kleine perlenförmige Terminal, wo es war, um es wie einen Ohrring zu tragen.
    Er gab die Anweisung, dass er nicht gestört zu werden wünsche, und als die Nacht weiter voranschritt, drehte er alle Heizungen voll auf und öffnete die Fenster. Er verbrachte einige Zeit damit, die Balkone und die äußeren Abflussrohre zu untersuchen; er kletterte fast bis zum Boden hinunter und rings herum um die Fassade, während er Simse und Rohre und Vorsprünge und

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