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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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vorstellen können, sehr viel komplizierter als das. Das Spiel von Azad bestimmt weniger, welche Person herrschen wird, sondern vielmehr, welche Tendenz innerhalb der herrschenden Klasse des Imperiums die Oberhand gewinnt, welchem Zweig der ökonomischen Theorie man folgen wird, welche Glaubenssätze innerhalb des Religionsapparates anerkannt werden und welche politischen Verfahrensweisen sich durchsetzen. Das Spiel dient ebenso als Examen – sowohl für die Aufnahme in die wie auch die Beförderung innerhalb der Einrichtungen, die die Religion, das Bildungswesen, die Verwaltung, die Rechtsprechung und das Militär betreffen.
    Der Gedanke dabei ist, Azad wäre so komplex, so hintergründig, so flexibel und so anspruchsvoll, dass es ein präzises und umfassendes Modell des Lebens darstellt. Wer in dem Spiel Erfolg hat, hat Erfolg im Leben; hier und dort erweist man sich mit den gleichen Qualitäten als überlegen.«
    »Aber…« Gurgeh war, als gehe von dem Abbild des Planeten vor ihnen eine beinahe körperliche Anziehungskraft aus. »… ist das wahr?«
    Der Planet verschwand, und sie sahen wieder auf das große Spielbrett. Das Holo bewegte sich jetzt, wenn auch tonlos, und Gurgeh sah die Angehörigen dieser fremden Rasse am Rand des Brettes stehen und Figuren verrücken.
    »Es muss nicht vollständig wahr sein«, antwortete der Roboter, »aber Ursache und Wirkung sind hier nicht perfekt polarisiert. Man geht davon aus, dass das Spiel und das Leben die gleiche Sache sind, und die Idee des Spiels ist innerhalb der Gesellschaft von solcher Durchschlagskraft, dass die Leute es zur Tatsache machen, einfach indem sie daran glauben. Es wird die Wahrheit; der Wille macht es zur Aktualität. Wie dem auch sei, ganz falsch können sie damit nicht liegen, sonst würde das Imperium gar nicht existieren. Es ist per definitionem ein vergängliches und instabiles System. Azad – das Spiel – ist anscheinend die Kraft, die es zusammenhält.«
    »Einen Augenblick!«, bat Gurgeh die Maschine. »Wir beide wissen, dass Kontakt den Ruf hat, hinterlistig zu sein. Sie erwarten doch wohl nicht von mir, dass ich hinreise und Kaiser oder so etwas werde?«
    Zum ersten Mal zeigte der Roboter eine Aura; er blitzte rot auf. Auch in seiner Stimme lag ein Lachen. »Wenn Sie das versuchten, würden Sie nicht sehr weit kommen. Nein. Das Imperium fällt unter die allgemeine Definition eines Staates, und das ganze Bestreben eines Staates ist es, seine eigene Existenz für alle Ewigkeit zu sichern. Der Gedanke, irgendwer komme von außerhalb und versuche, das Imperium zu übernehmen, würde die Eingeborenen mit Entsetzen erfüllen. Falls Sie zu dem Schluss kommen, dass Sie hinreisen möchten, und falls Sie fähig sind, das Spiel während der Reise gut genug zu lernen, könnten Sie, wie wir aus Ihren Erfolgen als Spieler schließen, eine Chance haben, sich als Verwaltungsbeamter oder als Leutnant in der Armee zu qualifizieren. Vergessen Sie nicht, diese Leute sind von Geburt an von diesem Spiel umgeben. Sie besitzen Drogen gegen das Altern, und die besten Spieler sind ungefähr doppelt so alt wie Sie. Natürlich lernen auch sie immer noch weiter.
    Es geht nicht darum, was Sie nach den Begriffen der halb barbarischen sozialen Bedingungen, die mittels des Spiels aufrechterhalten werden sollen, erreichen können, sondern ob Sie das Spiel in Theorie und Praxis überhaupt zu meistern lernen. Bei Kontakt gehen die Meinungen auseinander, ob es einem Spieler der Kultur, und habe er Ihr Format, möglich ist, nur auf der Basis allgemeiner Spielprinzipien und eines Schnellkurses mit Erfolg teilzunehmen.«
    Die stummen, fremdartigen Humanoiden bewegten sich über die künstliche Landschaft des riesigen Brettes. Das schaffe ich nicht, dachte Gurgeh. Fünf Jahre? Das war Wahnsinn. Ebenso gut konnte er zulassen, dass Mawhrin-Skel seine Schande publik machte. In fünf Jahren mochte er sich ein neues Leben aufgebaut, Chiark verlassen, Interesse an etwas anderem als Spielen gefunden, sein Äußeres verändert haben… Vielleicht sollte er seinen Namen wechseln; er hatte noch nie gehört, dass irgendwer das getan hatte, aber es musste möglich sein.
    Sicher, das Spiel von Azad, falls es wirklich existierte, war außerordentlich faszinierend. Aber warum hatte er bis heute nichts davon gehört? Wie war es Kontakt gelungen, so etwas geheim zu halten, und warum war es geheim gehalten worden? Gurgeh rieb sich den Bart. Immer noch sah er den stummen Fremden zu, die über das

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