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Das Kultur-Spiel

Das Kultur-Spiel

Titel: Das Kultur-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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ungefähr das Doppelte der ihren. Sie haben keine Ahnung, auf welchem Niveau in der Kultur Genmanipulationen bei Menschen durchgeführt werden und wie intelligent unsere Maschinen sind – sie haben nie von einem Schiffsgehirn gehört und nie ein Systemfahrzeug gesehen.
    Seit dem ersten Kontakt versuchen sie natürlich ununterbrochen, mehr über uns herauszufinden, aber ohne jeden Erfolg. Wahrscheinlich gehen sie davon aus, wir hätten einen Heimatplaneten oder so etwas; sie selbst sind immer noch sehr stark planetenorientiert, benutzen planetenformende Techniken zur Schaffung verwendbarer Ökosphären oder übernehmen, was häufiger geschieht, bereits bewohnte Welten. Ökologisch und moralisch sind sie katastrophal schlecht. Und genauere Informationen über uns wollen sie, weil sie eine Invasion planen; sie wollen die Kultur erobern. Das Problem ist, dass sie bei all der Kinderspielplatz-Schlägerei-Mentalität voll von Angst sind, gleichzeitig von Xenophobie und Paranoia beherrscht. Wir wagen es noch nicht, sie über Ausmaß und Macht der Kultur aufzuklären, weil sich das ganze Imperium selbst zerstören könnte… Derartiges ist früher geschehen, natürlich lange bevor Kontakt gegründet wurde. Heutzutage verfügen wir über bessere Techniken. Trotzdem ist es verlockend«, sagte der Roboter, als spreche er nicht zu Gurgeh, sondern denke laut.
    »Der Eindruck, den diese Leute auf mich machen, ist ziemlich…« Er hatte ›barbarisch‹ sagen wollen, doch das schien ihm nicht stark genug. »… tierisch.«
    »Hmm«, antwortete der Roboter. »Seien Sie vorsichtig. So bezeichnen sie die Spezies, die sie sich unterwerfen: als Tiere. Natürlich sind sie Tiere, genau wie Sie eines sind und ich eine Maschine bin. Aber ihr Bewusstsein ist voll entwickelt, und ihre Gesellschaft ist mindestens so kompliziert wie unsere eigene, in mancher Beziehung komplizierter. Es ist purer Zufall, dass wir sie zu dem Zeitpunkt gefunden haben, wo uns ihre Zivilisation primitiv vorkommt. Eine Eiszeit auf Eä weniger, und man könnte sich vorstellen, dass es genau umgekehrt wäre.«
    Gurgeh nickte nachdenklich. Die stummen Fremden bewegten sich im reproduzierten Licht einer fernen, fremden Sonne über den Spielfußboden.
    »Aber«, setzte Worthil munter hinzu, »so ist es nicht gekommen, also brauchen wir uns darüber keine Gedanken zu machen. Na gut.« Plötzlich waren sie wieder in dem Zimmer in Ikroh, der Holoschirm war ausgeschaltet, die Fenster waren durchsichtig. Gurgeh blinzelte unter der plötzlichen Flut von Tageslicht. »Ihnen ist sicher klar, dass ich Ihnen noch vieles erzählen könnte. Aber Sie kennen jetzt unseren Vorschlag, auf die knappste Form gebracht. Ich bitte Sie in diesem Stadium nicht um eine uneingeschränkte Zusage, möchte nur wissen, ob es Sinn hat, dass ich fortfahre, oder ob sie bereits fest entschlossen sind, nicht zu reisen.«
    Gurgeh kratzte sich den Bart, sah aus dem Fenster auf den Wald oberhalb von Ikroh. Es war zu viel auf einmal. Wenn die Geschichte wirklich stimmte, war Azad das bedeutendste Spiel, das er je in seinem Leben kennen gelernt hatte… möglicherweise bedeutender als alle übrigen zusammen. Als allerletzte Herausforderung erregte es ihn in gleichem Maß, wie es ihn abstieß. Er fühlte sich von ihm instinktiv, beinahe sexuell angezogen, schon jetzt, wo er noch so wenig darüber wusste – aber er war sich nicht sicher, ob er die Disziplin aufbrachte, zwei Jahre hintereinander dermaßen intensiv zu studieren, und ob er fähig war, seinem Gedächtnis das Modell eines Spiels einzuprägen, das so bestürzend komplex war. Immer wieder kehrten seine Gedanken zu der Tatsache zurück, dass den Azadiern selbst dies gelang, aber sie waren, wie die Maschine gesagt hatte, von Geburt an von dem Spiel umgeben. Vielleicht war es nur von jemandem zu meistern, dessen kognitive Prozesse wie bei ihnen durch das Spiel geformt worden waren…
    Aber fünf Jahre! Diese lange Zeit wäre er nicht einfach weg von hier, sondern zumindest für die Hälfte, wahrscheinlich mehr, jeder Möglichkeit beraubt, sich über die Entwicklungen in anderen Spielen auf dem Laufenden zu halten, Artikel zu lesen oder zu schreiben, irgendetwas zu tun außer diesem einen, absurden, zur Besessenheit werdenden Spiel. Er würde sich verändern, er würde am Ende ein anderer Mensch sein, er würde gar nicht umhin können, sich zu verändern, etwas von dem Spiel in sich aufzunehmen. Das wäre unvermeidlich. Und konnte er den verlorenen

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