Das Kumo-Kartell
zu seinem Arbeitszimmer geöffnet wurde. Seine Frau steckte lächelnd den Kopf herein.
»Schatz, die Kinder warten darauf, dass ihr Daddy ihnen ihre Gutenachtgeschichte vorliest. Du hast es versprochen.«
Das hatte er. Aber es passte ihm gar nicht. Er hatte andere Sorgen und musste schnellstmöglich eine Lösung für sein Problem finden, ehe er selbst die nächste Leiche wurde. Ein entsetzlicher Gedanke.
Seine Frau blickte ihn besorgt an. »Was ist los?«
Sie kam zu ihm und setzte sich auf die Lehne seines Sessels. »Sag schon.« Sie legte den Arm um seine Schultern und strich ihm eine Haarsträhne aus der Stirn. Normalerweise liebte er diese Geste und genoss sie; jetzt ging sie ihm auf die Nerven. Er machte sich von ihr frei.
»Es ist nichts. Ich habe nur Kopfschmerzen. Kannst du den Kindern nicht vorlesen?«
Er sah ihr an, dass sie ihm die Kopfschmerzen nicht abkaufte. Aber sie kannte ihn zu lange und zu gut, als dass sie mit ihm eine Diskussion darüber begonnen hätte. Sie stand auf.
»Ich werde dich bei den Kindern entschuldigen. Dir ist klar, dass sie enttäuscht sein werden?«
»Ich kann es nicht ändern.« Lieber enttäuschte er seine Kinder, als kostbare Zeit zu vergeuden, die er besser nutzen sollte, um die Katastrophe abzuwenden, die im Laufschritt auf ihn zukam.
Er wartete, bis seine Frau das Zimmer verlassen hatte, ehe er sich zurücklehnte und überlegte, wie er am besten vorgehen sollte. Das Sicherste wäre, jemanden zu beauftragen, die geheimen Unterlagen von den noch lebenden Mitgliedern der Organisation zu stehlen. Andererseits barg das wiederum mehr als ein Risiko. Außerdem deutete das zielstrebige Vorgehen des Killers darauf hin, dass er bereits wusste, wer der Kopf der Organisation war. Er konnte sich also nicht darauf verlassen, dass das Vernichten der Akten verhinderte, dass der Killer in absehbarer Zeit vor seiner eigenen Tür stand. Nein, er musste anders vorgehen. Auch wenn das, was er plante, ihm allenfalls Zeit verschaffte.
*
»Agent Cotton, Agent Decker? Ich bin Dr. Sandra Doyle.« Die Ärztin reichte ihnen die Hand.
»Wie geht es Miss Tanaka?« Cotton hielt sich nicht mit Höflichkeiten auf.
Dr. Doyle schien Ungeduld gewohnt zu sein, denn sie nahm keinen Anstoß an seiner Direktheit. »Den Umständen entsprechend gut. Man hat sie nur betäubt. Allerdings ist das Gift, das ihr verabreicht wurde, unserem Labor völlig unbekannt. Es enthält Tetrodotoxin und eine Reihe weiterer Komponenten, die wir in dieser Kombination noch nie gesehen haben.«
»Tetrodotoxin?« Decker runzelte die Stirn. »Das ist doch das Gift, das in Kugelfischen vorkommt.«
Dr. Doyle nickte. »Unter anderem. In zu hoher Dosierung ist es absolut tödlich. Wer immer dieses Gift gemixt hat, muss ein Meister seines Fachs sein. Es versetzt die Opfer in einen Tiefschlaf, der je nach Konstitution bis zu zwanzig Stunden anhält. Außerdem enthält es die Komponente eines Rohypnolderivates, die einen Gedächtnisverlust für die Zeit vor der Beibringung des Giftes bewirkt. Das bedeutet …«
»Dass Miss Tanaka sich an nichts erinnert.« Cotton ballte die Faust.
»So ist es leider.«
»Wie stehen die Chancen, dass sie sich später wieder erinnern kann?«, fragte Decker.
Dr. Doyle zuckte mit den Schultern. »Das kann ich nicht sagen. Da Rohypnol im Spiel ist, besteht die Möglichkeit, dass ihr Gedächtnisverlust bleibt. Aber die Hauptsache ist, dass sie lebt und dass ich sie dahingehend beruhigen konnte, dass sie nicht vergewaltigt wurde.«
Das wäre bei einer Frau als Täterin auch höchst unwahrscheinlich gewesen.
»Können wir mit ihr sprechen?«
»Ja. Aber erhoffen Sie sich keine erhellenden Antworten.«
Dr. Doyle führte sie zum Zimmer von Kumiko Tanaka. Die junge Frau saß im Bett gegen das hochgestellte Kopfteil gelehnt und blickte Cotton und Decker besorgt entgegen. Sie war ausgesprochen schön, auch wenn sie im Moment blass und krank aussah.
»Guten Tag, Miss Tanaka. Wie geht es Ihnen?« Decker lächelte gewinnend.
Cotton begnügte sich damit, ihr zuzunicken, und überließ es Decker, sie beide vorzustellen. Dafür war er derjenige, der ihr das Foto der Frau reichte, die sich für sie ausgegeben hatte.
»Haben Sie diese Frau schon mal gesehen?«
Kumiko besah sich das Bild eingehend, ehe sie den Kopf schüttelte. »Dr. Doyle sagte mir, dass ich betäubt wurde. Hat diese Frau das getan?« Ihre Stimme klang leise, aber melodisch. Sie sprach akzentfrei. Kein Wunder, denn ihre Überprüfung hatte
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