Das Kumo-Kartell
das bewusste Hinterlassen ihrer DNA und der Fingerabdrücke an verschiedenen Tatorten erfuhren, dass die Morde und Einbrüche, die sie beging, zu einer Serie gehörten. Warum ihre Auftraggeber Wert darauf legten, wusste Yuki nicht. Sie befolgte lediglich ihre Befehle. Außerdem: Was sie nicht wusste, konnte sie nicht preisgeben.
Nicht dass sie jemals etwas preisgegeben hätte. Sie und ihresgleichen waren wie die sprichwörtlichen Schatten, die man nicht hörte und nicht sah. Die den Häschern wie Wind zwischen den Fingern entschlüpften, wenn man sie zu fangen versuchte, und die aus nahezu jeder Situation einen Ausweg fanden.
Und falls nicht: Leben und Tod waren für Yuki dasselbe, und der Tod war der ultimative Ausweg. Diese Einstellung machte sie umso gefährlicher und unberechenbarer. Doch sie hatte nicht vor, diesen Weg zu beschreiten.
Yuki trocknete sich ab, zog sich an und sammelte die Sachen ein, die sie mitgebracht hatte. Anschließend ging sie in Saitos Arbeitszimmer und schaute sich um. An den Wänden hingen Gemälde unterschiedlicher Größe. Bei einem war die Wand vor der linken unteren Ecke dunkler als bei den anderen, was davon zeugte, dass sie oft von Händen berührt worden war. Sie zog an der Ecke, und das Bild klappte zur Seite. Dahinter war, wie sie vermutet hatte, ein Safe in die Wand eingelassen. Lächelnd schüttelte sie den Kopf. Wie einfallslos die Leute waren, wenn es um Verstecke für ihre Safes ging.
Mit ihrer Spezialausrüstung hatte Yuki in wenigen Sekunden die Kombination geknackt und den Safe geöffnet. Obwohl sie nur an einem dünnen, versiegelten Ordner interessiert war, der statt einer Aufschrift eine aufgestempelte rote Spinne trug, räumte sie trotzdem den Safe komplett leer. Es sollte für die Polizei keinen Zweifel geben, dass sich etwas darin befunden hatte, für das John Saito hingerichtet worden war.
Yuki steckte alles in ihre Sporttasche. Die Unterlagen würde sie ihren Auftragebern überreichen. Das Bargeld war ihr persönlicher Bonus, den sie behalten durfte: 8000 Dollar. Sie würde die Summe in ungleichen Beträgen und an verschiedenen Tagen von verschiedenen Städten aus auf die fünf Konten einzahlen, die sie im In- und Ausland unterhielt.
Die Safetür ließ sie weit offen. Die Ermittler sollten auf den ersten Blick sehen, dass irgendetwas aus dem Safe entfernt worden war.
Nun zum letzten Detail. Sie nahm einen schwarzen Permanentmarker und malte zwei Zeichen auf Saitos Stirn. Sobald die New Yorker Polizei diese Zeichen fotografiert hatte und in ihre Datenbanken eingab, würde sie feststellen, dass sie es mit einer Mordserie zu tun hatte, die in Cleveland ihren Anfang nahm und jetzt hier fortgesetzt wurde.
Yuki lächelte.
Trotz aller Hinweise, die sie auf Anweisung ihrer Auftraggeber an den Tatorten hinterlassen hatte, waren die Behörden noch immer nicht dahintergekommen, welcher Zusammenhang zwischen den einzelnen Fällen bestand.
Ihr konnte das egal sein. Sie verließ Saitos Wohnung und machte sich auf den Weg, um den nächsten Coup vorzubereiten.
2
Die Barfrau lächelte ihm zu, als sie ihm den Whisky hinschob und das Glas mit dem Wasser danebenstellte. Cotton lächelte zurück und reichte ihr einen Geldschein, der ein großzügiges Trinkgeld beinhaltete. Sie bedankte sich, legte den Kopf leicht schräg und strich sich mit einer aufreizenden Geste das Haar zurück, ohne ihn aus den Augen zu lassen.
Die Frau flirtete mit ihm. Sie wirkte nett und war ausgesprochen attraktiv. Mit ihrem blonden Haar und der schlanken Figur, die erkennen ließ, dass sie Sport trieb, erinnerte sie Cotton ein bisschen an seine Partnerin Philippa Decker. Obwohl Phil um Klassen besser war als die Barfrau, überlegte Cotton, ob er auf den Flirt eingehen sollte.
Er trank einen Schluck Whisky und genoss den exquisiten Geschmack des Taliskers: pfeffrig scharf und rauchig mit einem Hauch von Süße und einer Ahnung von Meersalz im Duft. Die leichte Note nach Tang verlieh dem Talisker seinen unverwechselbaren Geschmack, der nicht jedermanns Sache war. Cotton liebte ihn. Ein kleiner Schluck Wasser hinterher entfaltete die noch verborgenen Komponenten. Es war ein überaus sinnliches Geschmackserlebnis.
Das Klingeln seines Smartphones unterbrach rüde diesen Genuss. Der Anruf kam von Decker.
»Was gibt’s?«
»Wir haben einen Fall. Ich bin unterwegs zum Tatort, ein Penthouse, 1240 Madison Avenue. Der Eigentümer, John Saito, wurde ermordet. Alles Weitere vor Ort.«
Decker wartete
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