Das kupferne Zeichen - Fox, K: Kupferne Zeichen
du meinst, du schaffst das, kannst du auch mit uns nach Béthune kommen.«
»Das würde ich gerne.« Ellen nickte dankbar und war froh, dass sie so weit fortgingen.
2. BUCH
WANDERSCHAFT
Kloster Sainte Agathe im November 1166
D ie erste Nacht hatten sie, an ein Feuer gedrängt, im Wald verbracht, aber vor Kälte kaum schlafen können. Deshalb suchten sie am frühen Abend des nächsten Tages ein kleines Nonnenkloster auf, das vollkommen abgeschieden mitten im Wald lag. Eine Köhlerin, der sie zuvor begegnet waren, hatte ihnen geraten, dort nach einem Unterschlupf für die Nacht zu fragen. Die Sonne war schon fast untergegangen, und die Luft wurde erneut so ungemütlich feucht und kalt, dass ihr Atem in weißen Schwaden aufstieg.
»Steig ab, Ellenweore!«, befahl Claire, ließ sich vom Pferd gleiten und klopfte an die schwere Holztür.
Die Pförtnerin öffnete nur eine vergitterte Luke und begehrte zu wissen, was sie wollten.
»Wir frieren und bitten um eine Schlafstelle für die Nacht, liebe Schwester. Mein Name ist Claire, ich bin Handwerkerin und in Begleitung meines Sohnes Jacques. Auf unserem Weg zurück nach Hause, wir kommen aus Béthune, haben wir dieses bedauernswerte Mädchen gefunden. Sie wurde überfallen und übel zugerichtet, überzeugt Euch selbst.« Claire schob Ellen nach vorn.
»Sieht nicht aus wie ein Mädchen«, sagte die Pförtnerin mürrisch.
»Die Kleidung täuscht, ihre Sachen waren ganz zerrissen, ich hatte nur ein paar alte Kleidungsstücke von meinem Mann dabei, die ich ihr geben konnte. Hab versucht, die Sachen auf dem Markt zu verkaufen, aber keiner hat sie haben wollen«, erklärte sie, und Ellen fragte sich, warum Claire für sie log.
In Ellens Kopf drehte sich auf einmal alles, und sie sank in sich zusammen. Claire konnte sie gerade noch auffangen.
»Schwester Agnes ist unsere Krankenpflegerin, ich werde sie rufen, wartet«, brummte die Pförtnerin, schloss die Luke und schlurfte davon.
Es dauerte einen Moment, bis sich an der linken Seite der aus Steinen aufgeschichteten Klostermauer eine niedrige Tür knarrend öffnete, die bis dahin keiner der drei bemerkt hatte. Eine zierliche Schwester duckte sich, um hindurchzugehen, und kam dann aufrechten Ganges auf sie zu.
»Ich bin Schwester Agnes. Unsere Schwester Pförtnerin glaubt, ihr bräuchtet vielleicht meine Hilfe.«
Inzwischen sah der Wald um das Kloster aus wie eine schwarze Wand. Nur ein paar einzeln stehende Bäume waren im Zwielicht noch zu erkennen.
Schwester Agnes nickte Claire kurz zu, dann wandte sie sich besorgt an Ellen. Sie hob ihre Laterne hoch, um besser sehen zu können.
»Euer Gesicht sieht böse aus, habt Ihr auch am Körper Schmerzen?«
»Mein ganzer Leib tut weh«, klagte Ellen, die sich kaum noch auf den Beinen halten konnte.
»Ihr ist schwindlig, sie wäre gerade um ein Haar umgekippt«, erläuterte Claire.
Die Nonne tastete Ellen geschickt über dem Hemd ab. »Zwei Rippen könnten gebrochen sein, aber sicher bin ich nicht«, murmelte sie, nachdem sie jede einzeln befühlt hatte.
Ellen musste sich beherrschen, nicht zu lachen, weil es kitzelte.
Wie zufällig berührte die Nonne ihre Brust, sie hatte anscheinend den Auftrag zu prüfen, ob Ellen tatsächlich ein Mädchen war. »Vielleicht sollten wir reingehen, was meint ihr?« Schwester Agnes leuchtete von Ellen zu Claire und wandte sich dann an Jacques.
»Du siehst aus, als ob du noch wächst, bestimmt hast du Hunger?«
Jacques nickte heftig.
»Na, dann werde ich der Küchenschwester sagen lassen, dass sie dir eine ordentliche Portion zu essen geben soll.«
Jacques grinste überglücklich.
»Bedank dich, Junge«, zischte seine Mutter ihm zu.
Obwohl er genauso groß war wie Schwester Agnes, fuhr sie ihm über den Kopf wie einem kleinen Kind.
»Macht das Tor auf, Schwester Clementine, wir haben Gäste für die Nacht!«, rief sie laut.
Die Pförtnerin schob den schweren Eisenriegel zur Seite und öffnete bedächtig die Tür.
Ellen bemerkte, dass sie größer und kräftiger war als Schwester Agnes. Vermutlich hatte man sie deswegen für den Dienst an der Pforte bestimmt. Trotz ihrer Größe schien sie jedoch viel ängstlicher zu sein als ihre zarte Mitschwester.
»Ein Mädchen in Männerkleidern«, murmelte die Pförtnerin und schüttelte den Kopf, »so was!«
Ellen und Claire warfen sich einen kurzen Blick zu und folgten den beiden Nonnen dann einen schmalen Gang entlang. Die flackernden Lichter ihrer Laternen warfen unruhige Schatten an
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