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Das Labor der Esper

Das Labor der Esper

Titel: Das Labor der Esper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Morgan
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Prostituierten, ungeliebt und unerwünscht, und sie gab die Last ihres Erbes an die nächste Generation ab. Als Viktor geboren wurde, war sie fünfzehn, mitten in ihrer kurzen Blütezeit, und die Geschäfte gingen gut. Und nun mußte ausgerechnet das Kind kommen. Auch als er geboren war, gab sie ihren Plan, ihn loszuwerden, nicht auf.
    Gegen Morgengrauen war die Bombardierung zu Ende, und die Entwarnung ertönte. Rosa wurde aus ihrem Schmerz und Elend aufgerüttelt. Sie schleppte sich aus dem Bett und zog etwas an. Das Kind lag ganz still da, sah sie aus braunen Augen an und war zu schwach, um etwas anderes als ein gelegentliches Keuchen von sich zu geben. Als sie angekleidet war, wickelte sie es in einen schmutzigen alten Schal und wankte die Treppe hinunter. Draußen war es immer noch dunkel, aber sie war ein Geschöpf der Dunkelheit. Wie eine Katze suchte sie sich ihren Weg durch den Schutt der zerbombten Stadt und kam schließlich an eine Stelle, wo die fauligen Wasser der Themse an einen glitschigen, längst nicht mehr benutzten Kai schlugen.
    Sie stand am Rand und hob das Bündel, um es in das Wasser zu werfen. Es sollte irgendwohin treiben. Und dann jagte ein Schmerz wie mit glühenden Nadeln durch ihr rechtes Auge und in ihr Gehirn, und sie stolperte zurück, immer noch das Lumpenbündel in den Armen. Sie verlor das Bewußtsein.
    Als sie zu sich kam, saß sie auf dem Schutt einer zusammengebrochenen Wand. Die Dämmerung verströmte ein graues Licht. Und als sie an sich herabsah, merkte sie, daß das winzige Ungeheuer gierig an ihrer entblößten Brust trank, als wollte es ihr das Lebensblut aussaugen. Mit einem Entsetzensschrei wollte sie es wegreißen. Aber sie spürte das warnende Echo der glühenden Schmerzen und unterließ den Versuch. In ihrem Gehirn befand sich bereits ein Reaktionsschema. Die Tatsache, daß sie unfähig war, das Kind zu lieben, bedeutete nicht viel – in der Mutter-Sohn-Beziehung war der Schmerz der Hauptfaktor. Also hielt sie das kleine Wesen in den Armen, während es sich an ihrer bitteren Milch sättigte.
    Auf diese Weise gewann Viktor gleich nach der Geburt seinen ersten Kampf gegen Rosa und setzte ihre Beziehungen zueinander fest. Sein erster verzweifelter Versuch der Telehypnose war nichts als ein Daseinskampf gewesen. In diesem Alter konnte er noch nicht verstandesmäßig erfassen, was er getan hatte. Er hatte etwas ausprobiert, und es hatte ihn gerettet – bis zum nächsten Hunger. Indem er das gleiche noch einmal versuchte, konnte er die dümmliche Rosa dazu zwingen, seine einfachen Ansprüche zu erfüllen. Er und sie waren zwei Tiere, durch den Schmerz und die Abhängigkeit aneinandergekettet.
    Das war seine Kindheit. Er lag in einer Ecke des Zimmers, auf einem Häufchen schmutziger Lumpen. Sein Bett war ein abgelegter Karton des Gemüsehändlers. Währenddessen ging Rosa ihren Geschäften in den verdunkelten Straßen Londons nach. Seine Aufmerksamkeit richtete sich vor allem darauf, sein eigenes, unorganisiertes Nervensystem zu gliedern und in die Gewalt zu bekommen. Es wurde schon sehr früh deutlich, daß er physisch nicht normal war. Seine Gliedmaßen entwickelten sich nicht so, wie es sein sollte, und er konnte sie kaum bewegen. Wenn man ihn aus seinem Karton hob und auf den Boden legte, blieb er ganz still liegen. Nur seine Augen bewegten sich. Er krabbelte nicht und versuchte auch nicht zu laufen. Er hatte solche Dinge schnell aufgegeben, da sie außerhalb seiner Fähigkeiten lagen, und widmete sich statt dessen der geistigen Erforschung seiner Umwelt.
    Rosas dumpfe Gedankenfolgen boten wenig Interessantes für seine forschende Intelligenz, aber er entdeckte bald fremde Gehirne. Einige waren leichter erreichbar als die anderen, und von ihnen stahl er sich das Wissen über die Außenwelt zusammen. Er konnte hören – Rosa sprach oft mit ihm und sich selbst – aber sein eigenes Sprechzentrum entwickelte sich nicht wie bei anderen Leuten. Nach einigen frühen Versuchen konzentrierte er sich ganz auf die Gedankenübertragung, für die er eine natürliche Begabung besaß. Er konnte bald seine Wünsche direkt in die Gehirne anderer Personen leiten. Gewöhnlich machte er das mit Rosa, die in ihrer Stupidität und ihrem Mangel an Neugier diese Situation ohne langes Fragen hinnahm. Die Erinnerung an den glühenden Schmerz war immer da, und er setzte ihn auch ein, wenn sie sich widerspenstig zeigte.
    Wenn er Rosa unter Kontrolle hatte, tat sie, was er wollte, aber es war

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