Das Labor der Esper
den Gehirnen der beiden Telepathen produziert wird?«
»Produziert – oder von der ›freien‹ Psi-Energie angezapft, die es auf der telepathischen Ebene zu geben scheint.«
»In jedem Falle fordert es also den beiden Telepathen eine gewisse Energie ab?«
»Hm – ja, wahrscheinlich. Ich habe eigentlich noch nicht darüber nachgedacht.«
»Wirklich nicht?« Havenlake saß ganz still da und hielt die gestopfte Pfeife in der Hand. Er beobachtete sie genau.
»Worauf wollen Sie hinaus, Doktor Havenlake?« Barbaras Unsicherheit schlug plötzlich in Ärger um, da die Fragen für sie so sinnlos erschienen.
»Sie haben mit Peter Moray zusammengearbeitet. Haben Sie ihn in den letzten Tagen näher angesehen?«
»Das ließ sich leider nicht vermeiden.«
»Dann müssen Sie auch seine schlechte körperliche Verfassung bemerkt haben.«
»Er scheint etwas Gewicht verloren zu haben – ja, das habe ich bemerkt.«
»Und es bereitet Ihnen keine Sorgen?«
»Weshalb? Sollte es?« Barbara merkte, daß ihre Worte gefühllos klangen, aber sie konnte für Peter Moray keine Sympathie heucheln. Dank Viktors Auslöschung der schmerzhaften Erinnerungen waren viele Ereignisse von Nottingham verwischt. Aber selbst Viktors Geschick konnte weder Peters Bild entfernen noch die Behandlung, die sie durch ihn erfahren hatte und die zu ihrem Selbstmordversuch geführt hatte.
»Weshalb hassen Sie ihn so sehr?« fragte Havenlake.
Diese direkte Frage brachte Barbara einen Moment lang in Verwirrung. Havenlake mußte etwas von ihrer früheren Beziehung zu Peter Moray wissen. Weshalb versuchte er absichtlich, ihr diese demütigende Geschichte zu entlocken? »Ich möchte darüber nicht sprechen«, sagte sie schließlich.
»Also gut – drücken wir es anders aus: Weshalb sind Sie hergekommen, obwohl Sie genau wußten, daß Sie mit ihm zusammenarbeiten würden?«
»Weil ich glaubte, daß meine persönlichen Gefühle unwichtig sind. Mein Interesse gilt dem Fortschritt der Psi-Forschung.«
Havenlake legte die Pfeife auf den Tisch, ohne sie anzuzünden. »Angesichts Ihrer natürlichen Begabung ist das wohl verständlich. Miß Graham, ist Ihnen eigentlich noch nie die Frage gekommen, weshalb ein Psi-Krüppel wie ich sein ganzes Leben für diesen Forschungszweig verbringt?«
»Wissenschaftliche Neugier, würde ich sagen.«
»Nein, Miß Graham, so einfach läßt sich das Lebenswerk eines Mannes nicht abtun«, sagte Havenlake hart.
»Weshalb dann?« fragte sie ungeduldig. »Sie haben die Frage ja aufgeworfen.«
»Weil ich irgendwie in meinem einfachen Gehirn die Theorie entwickelte, daß die Telepathie, wenn sie existierte, das Heilmittel für die meisten Probleme der Menschheit sein würde. Ich hatte den Eindruck, daß diese Probleme letztlich durch mangelhafte Verständigung hervorgerufen wurden. Wenn nun die Gedanken eines Menschen vollkommen offen daliegen, wenn alle Schranken entfernt sind, dann kann es nur noch vollkommene Toleranz und vollkommenes Verständnis geben.«
»Das ist eine vernünftige Annahme«, sagte Barbara. Zum erstenmal spürte sie echte Sympathie für ihn. Auf seine Weise arbeitete er auf das gleiche Ziel hin wie sie und Viktor. Dennoch hielt sie es für falsch, ihn schon jetzt voll aufzuklären, da Havenlake keine Ahnung von Viktors bedeutender Rolle haben konnte.
»Nicht mehr, Miß Graham – Sie haben mir das Gegenteil bewiesen.« Havenlakes Gesicht verriet die Spuren seiner inneren Qual. »Sie und Peter Moray sind begabte Telepathen – und doch herrscht zwischen Ihnen kein Verständnis, sondern nur Haß. Soviel zu meinem Paradies des Friedens und des guten Willens …«
»Ich glaube, Sie geben zu schnell auf, Doktor Havenlake«, sagte sie sanft. »So schnell kann dieses Paradies nicht erreicht werden. Telepathie ist der erste Schritt dazu, aber mehr nicht.«
Sie wollte ihn noch besser trösten, wollte ihm erklären, wie die Persönlichkeit und das Wissen von Viktor in einem gesunden Körper-Geist-Gebilde die Welt verändern würde, wie man Telepathen ausbilden und organisieren würde, wie man ihnen beibringen würde, ihre Kräfte für das Wohl der Menschheit einzusetzen. Die Leiden eines Peter Moray waren unbedeutend neben so einem Ziel. Sie würden sogar unbedeutend sein, wenn er ein moralisches Wesen wäre. Gewiß, sie haßte Peter Moray. Das war nach Viktors Ansicht ein glücklicher Umstand, da es ihr andernfalls schwergefallen wäre, der Umwandlung zuzusehen. Diese Umwandlung erforderte eine völlige,
Weitere Kostenlose Bücher