Das Labyrinth der Ratten
Ergebnisse abzupressen, als auf die seiner eigenen Behörden. Was für eine sonderbare, verwirrende, aber auf irgendeine Weise wahr erscheinende letzte Feinheit.
Und ich glaube das auch, erkannte Lars.
Weil es vermutlich wirklich so ist.
Die Tür ging auf, und da stand Lilo Toptschew.
Sie trug einen schwarzen Pullover, lange Hose und Sandalen, das Haar war hinten von einem Band zusammengehalten. Sie sah aus wie siebzehn, achtzehn, war auch nicht älter. Sie hatte die Figur einer Jugendlichen kurz vor der Reife. In einer Hand hielt sie eine Zigarre und hielt sie falsch, ungeschickt, bemüht, erwachsen zu erscheinen, ihn und den KWB-Mann zu beeindrucken.
Lars sagte heiser: »Ich bin Lars Powderdry.«
Lächelnd streckte sie die Hand aus. Sie war klein, glatt, kühl, zart; er nahm sie vorsichtig, mit höchster Ehrerbietung. Es kam ihm vor, als könnte er sie mit einem einzigen unvorsichtigen Druck zerquetschen.
»Hallo«, sagte sie.
Der KWB-Mann stieß ihn mit der Schulter ins Zimmer. Und die Tür fiel hinter ihm zu. Der KWB-Mann blieb draußen.
Er war allein mit Lilo Toptschew. Der Traum war wahr geworden.
»Ein Bier?« sagte sie. Wenn sie sprach, bemerkte er, daß ihre Zähne außerordentlich ebenmäßig waren, klein und gleichmäßig geformt. Sie sah aus wie eine Deutsche. Nordisch, nicht slawisch.
»Sie sprechen verdammt gut englisch«, sagte er. »Ich habe mich gefragt, wie man die Sprachbarriere bewältigen will.« Er hatte mit einer geschickten, unauffälligen, aber stets präsenten Dolmetscherperson gerechnet. »Wo haben Sie das gelernt?« fragte er.
»In der Schule.«
»Wirklich? Sie sind nie im Wes-Block gewesen?«
»Ich habe die Sowjetunion vorher nie verlassen«, sagte Lilo Toptschew. »Auch den Großteil von Foks-Ost, vor allem die sino-beherrschten Gebiete, darf ich nicht betreten.« Sie ging geschmeidig zur Küche der mehr oder weniger der Cog-Klasse entsprechenden Motel-Suite, um ihm die Dose Bier zu holen, gestikulierte plötzlich, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Sie wies mit dem Kopf auf die Rückwand des Raumes. Dann sah sie ihn an, mit dem Rücken zur Wand, und formte mit den Lippen das Wort ›Wanze‹ – ohne es laut auszusprechen.
Ein Video-Audio-System war eifrig dabei, sie zu überwachen. Natürlich. Wie konnte es anders sein? Lars dachte an Orwells großen alten Klassiker ›1984‹. Nur wissen wir diesmal, daß wir unter Beobachtung stehen, und, wenigstens theoretisch, unter der unserer guten Freunde. Wir sind jetzt alle Freunde. Nur werden uns, wie Aksel Kaminsky wahrheitsgemäß gesagt hat, unsere guten Freunde umbringen, wenn es uns nicht gelingt, richtig durch den Flammenreifen zu springen, Lilo und mir.
Aber wer kann es ihnen übel nehmen? Das hatte Orwell übersehen. Sie könnten recht haben und wir unrecht.
Sie brachte ihm das Bier.
»Viel, viel Glück«, sagte Lilo lächelnd.
Ich bin schon in dich verliebt, dachte er.
Werden sie uns dafür umbringen? fragte er sich. Gott sei ihnen gnädig, wenn sie das tun. Denn sie und ihre gemeinsame Zivilisation, Ost und West, wären es nicht wert, um diesen Preis erhalten zu bleiben.
»Was war das mit den Drogen?« fragte Lilo. »Ich habe Sie draußen mit der Polizei sprechen hören. War das wahr, oder wollten Sie nur – Sie wissen schon – Schwierigkeiten machen?«
»Es ist wahr«, sagte Lars.
»Ich konnte die Namen der Drogen nicht verstehen. Obwohl ich die Tür geöffnet hatte und lauschte.«
»Eskalatium.«
»O nein!«
»Zitizin. Ich mische sie, zerdrücke sie ...«
»Das habe ich mitgehört. Sie spritzen sich das Gemisch ein, Sie tun es wirklich? Ich dachte, das hätten Sie nur um der anderen willen gesagt.« Sie betrachtete ihn mit einem würdevollen Ausdruck, überlagert von Belustigung. Es war nicht Mißbilligung oder Schock, was sie empfand, nicht die moralische Empörung des KWB-Mannes – der unvermeidlich schlichten Gemütes war; das gehörte zu seiner Natur. Bei ihr war es beinahe Bewunderung.
»Ich kann also nichts tun, bis mein Arzt kommt«, sagte Lars. »Alles, was ich tun kann ...« er setzte sich auf einen schwarzen Stuhl aus Schmiedeeisen – »ist Bier trinken und warten.« Und dich ansehen.
»Ich habe Drogen.«
»Die Leute haben das Gegenteil behauptet.«
»Was sie sagen, ist, wie wenn ein Wurm sich in einen Misthaufen bohrt.« Sie wandte sich der Monitoranlage zu, auf die sie ihn eben hingewiesen hatte, und sagte: »Und das gilt auch für Sie, Geschenko!«
»Wer ist das?«
»Der
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