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Das Labyrinth der Ratten

Das Labyrinth der Ratten

Titel: Das Labyrinth der Ratten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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schnittsmenschen, in Frieden schlafen ließ. Eine zu große Last, die der Reife, der Verantwortlichkeit, lag auf den Cogs ... selbst auf diesen Nullen, diesen beiden Polizisten, und ihren Genossen in seiner Wohnung, die jetzt gerade dabei waren, seine Umhänge, Hemden, Schuhe, Schlipse und Unterwäsche in Schachteln und Koffer zu stopfen.
    Und das Wesen dieser Last war dies:
    Sie wußten, wie Lars selbst es wußte, daß ihr Schicksal in den Händen von Schwachköpfen lag. So einfach war das. Schwachköpfe in Ost und West, Schwachköpfe wie Marschall Paponowitsch und General Nitz ... Schwachköpfe, so begriff er – und spürte, wie seine Ohren brannten und rot flammten –, wie er selbst. Es war die blanke Sterblichkeit der Führerschaft, die den herrschenden Kreisen Angst und Schrecken einjagte. Der letzte ›Supermann‹, der Inbegriff des Eisernen, war Josef Stalin gewesen. Seitdem – armselige Sterbliche, Amtsträger, die sich aufs Handeln verlegten.
    Und doch war die Alternative viel schlimmer – und alle, sogar die Masse Mensch, wußten das auf irgendeiner Ebene.
    Der Polizist am Steuer sagte lässig, so, als käme es gar nicht so sehr darauf an: »Da ist Island.«
    Unter ihnen funkelten die Lichter von Fairfax.

    15

    Lichter gleißten, erzeugten einen weißgoldenen Tunnel, den er durchschreiten konnte. Der bis ins Mark dringende Wind von den Gletschern im Norden schnappte gierig nach ihm, und er ging mit schnellen Schritten, gefolgt von den beiden Polizisten. Auch sie fröstelten, und sie eilten zu dritt auf das nächstgelegene Gebäude zu, so schnell ihre Beine sie trugen.
    Die Tür des Gebäudes dichtete sich hinter ihnen ab, und sie waren von Wärme umgeben. Sie blieben keuchend stehen, die Gesichter der Polizisten waren jetzt schrecklich rot und aufgedunsen, nicht so sehr von den plötzlichen Veränderungen der Atmosphäre als von innerer Anspannung, so, als hätten sie befürchtet, dort draußen zurückgelassen zu werden.
    Vier Angehörige des KWD, der sowjetischen Geheimpolizei, in altmodischen Wollanzügen und schmalen, spitzen Schuhen und mit gestrickten Krawatten tauchten aus dem Nichts auf. Es war, als hätten sie sich buchstäblich von den Wänden des Vorraumes gelöst, in dem Lars und die beiden Polizeibeamten der Vereinigten Staaten Wes-Block standen und keuchten.
    Lautlos, in einem gedehnten, ritualisierten Augenblick der Wahrheit, tauschten Wes-Block und Sowjet-Geheimpolizei ihre Ausweise. Jeder einzelne schien zehn Pfund Ausweismaterial mit sich herumzuschleppen. Der Austausch von Karten und Brieftaschen und Gehirnwellen-Summschlüsseln schien ewig zu dauern.
    Und keiner sagte etwas. Keiner von den sechs Männern sah die anderen auch nur an. Die ganze Aufmerksamkeit war auf die Ausweis-Elemente gerichtet.
    Lars entfernte sich, fand einen Automaten für heiße Schokolade, warf eine Münze hinein und bekam seinen Becher; er stand da und schlürfte, fühlte sich erschöpft, spürte, wie sein Kopf schmerzte, bemerkte, daß er sich nicht einmal rasiert hatte. Er war sich ganz deutlich des unterdurchschnittlichen, unangemessenen und einfach abscheulichen Anblicks bewußt, den er bot. Und das in diesem Augenblick. Unter diesen Umständen.
    Als die Wes-Block-Polizei den Austausch von Ident-Material mit ihren Foks-Ost-Kollegen abgeschlossen hatte, sagte er ätzend: »Ich komme mir vor wie ein Gestapo-Opfer. Aus dem Bett geholt, unrasiert, in der armseligsten Kleidung, um hinzutreten vor ...«
    »Sie werden es nicht mit einem Reichsgericht zu tun haben«, erklärte einer der Polizeibeamten aus Foks-Ost. Sein Englisch klang m seiner Präzision ein wenig künstlich; vermutlich hatte er es von Kassetten gelernt. Lars dachte sofort an Roboter, Androiden und Maschinen allgemein; kein erfreuliches Omen. Ein derartiges tonloses, gleichbleibendes Palaver, so entsann er sich, war oft verbunden mit gewissen Unterformen von Geisteskrankheit – überhaupt mit Gehirnschäden. Innerlich stöhnte er. Er wußte jetzt, was T. S. Eliot damit gemeint hatte, daß die Welt mit einem Wimmern enden würde, nicht mit einem Knall. Sie würde enden mit seinem unhörbaren Klageseufzer angesichts der mechanischen Eigenschaften derjenigen, die ihn – und das war in Wirklichkeit seine Situation, ob es ihm gefiel, das zuzugeben oder nicht – gefangen hielten.
    Der Wes-Block ließ aus Gründen, die man natürlich nicht an ihn weiterreichen konnte, damit er sie begriff oder anerkannte, zu, daß die Begegnung mit Lilo Toptschew

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