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Das Labyrinth der Ratten

Das Labyrinth der Ratten

Titel: Das Labyrinth der Ratten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Büro.«
    »Okay«, sagte Lars. Er packte Lilo am Arm, schob sie hinaus und durch den Flur zur nächsten Aufwärts-Rampe. Sie ließ sich mitziehen wie eine Gliederpuppe, passiv; es kam ihm vor, als schleppe er ein leichtgebautes Simulakrum ohne Leben und Motivation; es war ein unheimlich widerwärtiges Gefühl. War Lilo alles gleichgültig, oder wurde es ihr einfach zuviel? Keine Zeit, die psychologischen Hintergründe ihrer Schlaffheit zu untersuchen; er schaffte sie auf die Rampe, und sie fuhren hinauf zum Dach, wo der Schrauber wartete.
    Als er und Lilo auf das Dach hinaustraten, die Rampe verließen, zeigte sich auf der zweiten Rampe eine Gestalt. Es war Maren Faine. Wie Henry Morris gesagt hatte, fiel es schwer, sie wiederzuerkennen. Sie trug ihren hochmodischen knöchellangen Wabpelzmantel von der Venus, hohe Absätze, einen kleinen Hut mit Spitze, große, handgeschmiedete Ohrringe, und, seltsamerweise, keine Schminke, nicht einmal Lippenstift. Ihr Gesicht wirkte glanzlos und fahl. Eine Andeutung beinahe vom Grab, als habe der Tod sie über den Atlantik hierher aufs Dach begleitet; der Tod hockte in ihren Augen und glotzte wie ein fetter Vogel ausdruckslos, aber mit verschlagener Entschlossenheit hinaus.
    »Hallo«, sagte Lars.
    »Hallo, Lars«, sagte Maren gemessen. »Hallo, Miss Toptschew.«
    Einen Augenblick lang blieb es still. Lars konnte sich nicht erinnern, sich je in seinem Leben so unbehaglich gefühlt zu haben.
    »Nun, Maren?« fragte er.
    »Man hat mich direkt aus Breschnewgrad angerufen«, sagte Maren. »Jemand vom ZK. Ich glaubte es nicht, bis ich mich bei KACH erkundigte.« Sie lächelte, dann griff sie in ihre postbeutelartige Tasche, die am schwarzen Ledergurt von ihrer Schulter hing.
    Die Schußwaffe, die Maren herauszog, war entschieden die kleinste, die Lars je gesehen hatte.
    Der erste Gedanke, der ihm kam, war, daß das verdammte Ding ein Spielzeug war, ein Spaß; sie hatte es aus einem Kaugummiautomaten gezogen. Er starrte die Waffe an, versuchte, sie genauer zu erkennen, erinnerte sich, daß er schließlich Waffenfachmann war, und dann erkannte er, daß sie echt war. Aus Italien, eigens für Damenhandtaschen hergestellt.
    »Wie heißen Sie?« sagte Lilo neben ihm. Ihre Stimme klang höflich, vernünftig, sogar freundlich; das verblüffte ihn, und er drehte den Kopf, um sie anzustarren.
    Man konnte immer wieder Neues lernen, was die Menschen anging. Lilo machte ihn einfach sprachlos; in diesem kritischen Augenblick, da sie und er sich Marens winziger, tödlicher Waffe gegenübersahen, war Lilo damenhaft und reif geworden, gesellschaftlich so sicher, als wäre sie zu einer Party erschienen, bei der sich die bekanntesten Cogs versammelt hatten. Sie zeigte sich der Lage gewachsen, und für ihn war das eine Ehrenrettung des Wesens der Menschlichkeit selbst. Niemand würde ihn je noch davon überzeugen können, daß ein menschliches Wesen einfach ein aufrecht gehendes Tier mit Taschentuch war, das Donnerstag von Freitag unterscheiden konnte, oder wie das Kriterium lauten mochte ... selbst die Definition Orvilles, übernommen von Shakespeare, erwies sich als das, was sie war, eine beleidigende, zynische Nichtigkeit. Was für ein Gefühl, dachte Lars, dieses Mädchen nicht nur zu lieben, sondern auch zu bewundern!
    »Ich bin Maren Faine«, sagte Maren sachlich. Sie war nicht beeindruckt.
    Lilo streckte hoffnungsvoll die Hand aus, offensichtlich als Zeichen der Freundschaft.
    »Ich freue mich sehr«, begann sie, »und ich glaube, wir können ...«
    Maren hob die winzige Pistole und drückte ab.
    Das schmutzverkrustete und doch glänzende kleine Ding feuerte ab, was im Urzustand der technologischen Entwicklung als Dum-Dum-Geschoß bezeichnet worden wäre.
    Aber das Geschoß hatte sich im Lauf der Jahre fortentwikkelt. Es besaß noch immer die wesentliche Eigenschaft – daß es explodierte, wenn es sein Ziel traf – aber darüber hinaus tat es noch mehr. Seine Bruchstücke detonierten weiter, hielten eine endlose Bluternte, die sich über den Körper des Opfers und alles in seiner Nähe ausbreitete.
    Lars warf sich hin, stürzte instinktiv davon, riß das Gesicht zur Seite und krümmte sich; das Tier in ihm nahm die Fötushaltung ein, die Knie angezogen, den Kopf tief hinabgesteckt, die Arme um den Körper geschlungen, in dem Wissen, daß er nichts für Lilo tun konnte. Das war vorbei. Für immer. Jahrhunderte konnten verfließen wie Wassertropfen, ohne Ende, und Lilo Toptschew würde nie mehr in

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