Das Labyrinth der Ratten
meinte er. »Um Schweinchen zu besuchen.«
»Nein«, erwiderte sie. »Ich bin in Pu's Haus und besuche Pu.«
»Als die Beretta losging ...«
»O Gott, ich dachte, ich bin es, und Sie dachten, ich wäre es. Sie waren sicher und konnten nicht hinsehen. Hätte ich es sein sollen? Jedenfalls war ich es nicht. Und ich hätte dasselbe getan; ich hätte nicht hingesehen, wenn ich geglaubt hätte, daß Sie es sein werden. Was ich entschieden habe, und ich habe nachgedacht und nachgedacht, nicht aufgehört zu denken ... ich habe mir so schreckliche Sorgen um Sie gemacht, wo Sie hingeraten sein könnten – Sie hatten Ihre Trance und liefen einfach davon. Aber als ich über sie nachdachte, entschied ich, daß sie die Pistole nie zuvor abgefeuert haben kann. Sie kann nicht geahnt haben, was sie anrichtet.«
»Und was nun?«
»Ich habe gearbeitet. Mein Gott, wie habe ich gearbeitet! Kommen Sie mit und lernen Sie ihn kennen.« Sie führte ihn mit ernster Miene. »Hat man Ihnen gesagt, daß ich kein Glück gehabt habe?«
»Es könnte schlimmer sein, wenn man bedenkt, was Stunde für Stunde mit uns geschieht«, sagte Lars. Auf der Fahrt nach Osten hatte er vom Ausmaß des jetzt verschwundenen Bevölkerungsvolumens gehört. Als Katastrophe gab es keinen historischen Vergleich.
»Ricardo Hastings sagt, sie kommen vom Sirius«, erklärte Lilo. »Und sie machen alle zu Sklaven, wie wir vermutet hatten. Sie haben Chitinkörper und eine physiologische Hierarchie, die Millionen von Jahren zurückreicht. Auf den Planeten ihres Systems, nicht ganz neun Lichtjahre von uns entfernt, haben sich warmblütige Lebensformen nie über das Lemurenstadium hinaus entwickelt. Baumartig, mit Fuchsschnauzen, die meisten Typen Nachtwesen, manche mit Greifschwänzen. Sie betrachten uns daher nur als intelligenzbegabte Mißgeburten. Als hochorganisierte Arbeitspferd-Organismen, die manuell einigermaßen geschickt sind. Sie bewundern unseren Daumen. Wir können alle möglichen wichtigen Aufgaben erfüllen; sie betrachten uns so, wie wir die Ratten.«
»Aber wir führen unablässig Versuche mit Ratten durch. Wir versuchen zu lernen.«
»Wir haben Lemuren-Neugier«, sagte Lilo. »Bei jedem besonderen Geräusch stecken wir den Kopf zum Bau hinaus, um nachzusehen. Sie tun das nicht. Bei Chitinwesen, selbst hochentwickelten, hat man es offenbar in erster Linie doch mit Reflexmaschinen zu tun. Sprechen Sie mit Hastings darüber.«
»Ich habe kein Interesse daran, mit ihm zu reden«, antwortete Lars. Vor ihnen, hinter einer offenen Tür, saß – ein dürres, bekleidetes Skelett, dessen trübes, eingeschrumpftes, runzelkürbisartiges Gesicht sich langsam drehte, wie von einem Motor angetrieben. Die Augen zuckten nicht mit den Lidern. Die Züge blieben unberührt von Emotionen. Der Organismus war zu einer bloßen Wahrnehmungsmaschine degeneriert. Sinnesorgane, die sich unaufhörlich hin- und herdrehten, Daten aufnahmen, obwohl der Himmel wußte, wieviel davon tatsächlich das Gehirn erreichte, von diesem registriert und begriffen wurde. Vielleicht gar nichts.
Eine vertraute Person tauchte auf, in der Hand hielt sie ein Klemmbrett.
»Ich wußte, Sie würden irgendwann wieder erscheinen«, sagte Dr. Todt zu Lars, aber er wirkte trotzdem hochgradig erleichtert. »Sind Sie zu Fuß gegangen?«
»Muß ich wohl getan haben«, erwiderte Lars.
»Sie erinnern sich nicht?«
»An nichts«, sagte Lars. »Aber ich bin müde.«
»Selbst größere Psychosen zeigen die Neigung, durch Bewegung abgearbeitet zu werden, wenn man ihnen genug Zeit läßt«, erklärte Dr. Todt. »Die Nomaden-Lösung. Nur bleibt in den meisten Fällen einfach nicht genug Zeit. Was Sie angeht, bleibt überhaupt keine.« Er wandte sich Ricardo Hastings zu. »Was ihn betrifft, was wollen Sie zuerst versuchen?«
Lars betrachtete die zusammengekauerte alte Gestalt.
»Eine Biopsie.«
»Ich verstehe nicht.«
»Ich möchte eine Gewebsprobe entnehmen lassen. Gleichgültig, an welcher Stelle.«
»Warum?«
»Neben einer mikroskopischen Analyse brauche ich eine Kohlenstoff-Datierung. Wie genau ist die neue Kohlenstoff 17 B-Datierungsmethode?«
»Bis auf Bruchteile von Jahren. Monate.«
»Das dachte ich. Okay, es wird von mir keine Entwürfe, Trancen oder sonst irgend etwas geben, bis die Ergebnisse der Kohlenstoff-Datierung da sind.«
»Wer kann die Wünsche der Unsterblichen in Zweifel ziehen?« entgegnete Dr. Todt mit einer Geste.
»Wie lange wird es dauern?«
»Wir können die Ergebnisse
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