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Das Labyrinth der Wörter

Titel: Das Labyrinth der Wörter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie-Sabine Roger
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bloß weitergehen? Und eben diese verdammte Angst, nie mehr was allein lesen zu können, weil, wenn Margueritte mir nicht das ganze Buch vorher erzählt, dann befürchte ich, dass es mir zu den Augen reingeht und sofort wieder raus, ohne den Umweg übers Gehirn zu nehmen.
    Ich habe Annette nicht alles gesagt. Es war schon verdammt viel, zuzugeben, was für ein armer Trottel ich bin, der kaum besser lesen kann als ein siebenjähriger Bengel. Deswegen habe ich das Gefallenendenkmal und das Taubenzählen fürs Erste weggelassen. Später mal, habe ich mir gesagt. Vielleicht.
    Annette hatte Tränen in den Augen, als ich ihr von dieser Krankheit erzählt habe, deren Namen ich schon nicht mehr weiß.
    »Die Arme, und was kann man da machen?«
    »Gar nichts kann man da machen, das ist es ja, was mir so stinkt.«
    »Ja, das kann ich gut verstehen.«
    »Ich weiß nicht«, habe ich gesagt. »Ich weiß nicht, ob du mich verstehen kannst, mit den Büchern und allem.«
    »Das ist nicht schlimm, weißt du. Für mich ändert esnichts, wenn du im Lesen kein Ass bist. Du bist in anderen Sachen gut. Und Bücher kann ich dir auch vorlesen.«
    »Hast du welche?«
    »Nicht so viele. Aber man kann in der Bibliothek welche holen, Rue Emile Zola.«
    »Na ja, aber weißt du, was das kostet?«
    »Gar nichts kostet das, es ist umsonst, das ist ja das Gute! Meine Schwester geht für ihre Kinder hin, sie kann drei Bücher auf einmal ausleihen, für zwei Wochen.«
    »Kann man auch weniger als drei nehmen?«
    »Man kann ein einziges nehmen oder auch gar keins, wenn man will, das ist kein Problem.«
    »Und länger behalten, geht das auch?«
    »Das weiß ich nicht genau. Ich glaube, danach muss man Strafe zahlen. Ich frag mal meine Schwester.«
    Anschließend haben wir eine Weile über andere Sachen geredet und dann nur noch mit unseren Händen.
    Ich bin ganz verrückt nach dieser Frau, es ist, als wäre sie von Kopf bis Fuß mit Leim eingeschmiert: Wenn ich sie berühre, hänge ich fest. Schlimmer als ein Magnet.
    Vielleicht ist das Liebe, diese Anziehung.

 
    I ch bin bei Youss vorbeigegangen.
    Das ist mir so eingefallen, aus heiterem Himmel. Gegen acht Uhr abends bin ich zu ihm, das ist der beste Moment, um ihn zu Hause anzutreffen.
    Er hat aufgemacht, und ich habe gesagt: »Bist du blöd oder was?«
    »Hallo, willst du einen Tee? Komm rein«, hat er gemeint.
    Ich habe mich auf einen Puff gesetzt, um nicht unhöflich zu sein, aber verdammt, ich hasse diese Dinger, ich weiß nie, wohin mit meinen langen Knochen, und kriege Krämpfe in den Füßen.
    Youssef hat gesagt: »Du siehst aus, als hättest du ein Problem.«
    Da habe ich ihn Knall auf Fall gefragt: »Was ist denn das für eine Geschichte mit Stéphanie? Stimmt das, dass du was mit ihr hast?«
    »Ja … Willst du Pfefferminztee?«
    Und da habe ich festgestellt, dass ich plötzlich auf einer höheren Evolutionsstufe stand. Denn statt ihm gute Ratschläge zu geben im Stil von »Hast ja recht, sie ist echt scharf, genieß es!«, habe ich gesagt: »Und was ist mit Francine?«
    Youssef hat mit den Schultern gezuckt. »Ach, keine Ahnung. Ich zögere noch, verstehst du?«
    »Bist du in Stéphanie verliebt?«
    »Weiß ich nicht genau. Ich glaube, ich hab mich irgendwie einwickeln lassen. Sie wirbelte so um mich rum, und sie ist ja echt süß …«
    Das Gegenteil könnte man sicher nicht behaupten! Sie hat ein Paar Brüste, da geht dir beim bloßen Anblick das Messer in der Hose auf.
    »Aber ein bisschen jung ist sie schon …«
    »Und Francine ist es nicht mehr, verstehst du, das ist das Problem. Aber wenn ich mit Francine zusammen bin, ist es auch gut. Das ist ja das Blöde. Ich weiß nicht, für wen ich mich entscheiden soll.«
    Man merkte, dass er ziemlich in der Klemme war. Mit Youssef fühle ich mich wie ein Vater. Ich rede mit ihm so, als wenn er mein Sohn wäre. »Hast du nicht Angst, dir den Schwanz zwischen zwei Stühlen einzuklemmen, bei dem ganzen Hin und Her?«
    »Was würdest du denn an meiner Stelle machen?«
    »Pff, du bist gut! Ich bin nicht an deiner Stelle. Ich finde es schwer genug, an meiner zu sein, verstehst du, da musst du schon selbst …«
    »Wie geht es Francine?«
    »Wie soll es ihr gehen? Sie heult die ganze Zeit.«
    »Scheiße.«
    »Tja … Hör mal, Youss, nimm’s mir nicht übel, aber ich setz mich jetzt mal auf einen Hocker, weil dein dickes Kissen da, das ist Gift für meine Knie …«
    »Komm mit in die Küche. Ich habe Lammsuppe gekocht, willst du

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