Das Labyrinth der Zeit
erfahren und die Skalar-Ermittlung in Gang gesetzt – und aus den dabei gewonnenen Erkenntnissen den Schluss gezogen, dass Wards Handlungen gewisse Gegenmaßnahmen erforderlich machten.» Sie dachte kurz nach. «Als hätte Ward etwas in Bewegung gesetzt, das mein Vater aufgehalten hat. Oder zumindest verzögert, unter Kontrolle gebracht – aber offenbar nur vorläufig, weil er ja bis an sein Lebensende größte Angst davor hatte, dass diese Kontrolle verlorengehen könnte. Die Sache, die Ward da in Gang gesetzt hat, war also etwas Schlimmes. Etwas sehr Schlimmes, mit potenziell weitreichenden Folgen.»
«Anders kann man es wohl kaum interpretieren», stimmte Carrie ihr zu, mit beklommenem Unterton.
Paige sah erst sie und dann Travis an. «Diese Wesen auf der anderen Seite der Pforte», sagte sie, «wer oder was auch immer sie genau sein mögen, verfolgen also … böswillige Ziele. Sind uns feindlich gesinnt. Das ist der Schluss, den wir ziehen müssen.»
Travis warf ihr einen Blick zu. Ihre angespannte Miene ließ tiefe Besorgnis erkennen. Und noch etwas anderes – beinahe so etwas wie Ernüchterung. Er konnte verstehen, warum. Solange er Paige kannte, hatte sie innerhalb Tangents immer eine vergleichsweise optimistische Sichtweise vertreten. Sie gab sich zwar nicht dem Wunschdenken hin, dass jene auf der anderen Seite der Pforte sonderlich «gut» waren – dazu gab es keinerlei Anlass –, sie hatte sich aber lange an die Vorstellung geklammert, dass sie zumindest neutral waren. Dass es nie ihre Absicht gewesen war, dass ihre gefährlichen Technologien in menschliche Hände geraten sollten. Dass ihnen vermutlich nicht einmal bewusst war, dass es einen Unfall gegeben hatte, bei dem einer ihrer Transporttunnel sozusagen angezapft worden war. Die Pforte war zwar gefährlich, rangierte aber in derselben Kategorie wie Erdbeben und Wirbelstürme – Naturkatastrophen eben. Gerade weil keine bewusste Absicht dahintersteckte. Wer auch immer sich auf der anderen Seite verbarg, sie hatten es jedenfalls nicht darauf abgesehen , uns Schaden zuzufügen. Dieser Glaube hatte lange Zeit Paiges Sicht der Dinge bestimmt. Seit dem ersten Tag vermutlich, an dem sie nach Border Town gekommen war.
Die Ernüchterung, die kurz aus ihren Augen sprach, wurde jedoch gleich darauf von einem viel stärkeren Ausdruck überlagert: von Furcht. Ihr Atem ging schneller und flacher, und es schien kurz, als fühlte sie sich vollkommen überwältigt und wüsste nicht mehr weiter.
Travis ging es nicht anders. Und auch Peter hatten nach seinem Gespräch mit Nora damals vermutlich ganz ähnliche Gefühle bewegt, nachdem er in Grundzügen begriffen hatte, was geschehen war:
Ward hatte irgendetwas für sie getan.
Etwas, das er geheim halten musste.
Etwas, das ihn dermaßen belastet hatte, dass er sich danach umgebracht hatte.
Vielleicht war Ward den Anweisungen nur gegen seinen Willen gefolgt, weil die Portalstimmen ihn psychisch ähnlich zugrunde gerichtet hatten wie David Bryce.
Travis versuchte, sich in Peters Gemütszustand an jenem ersten Tag im Sommer 1981 hineinzuversetzen – in das grässliche Bewusstsein, dass die Entwicklung, die Ruben Ward drei Jahre zuvor in Gang gesetzt hatte, weiter ungestört ablief. Dass in jenem Moment irgendwo, an einem unbekannten Ort, nach wie vor ungehindert die Dominosteine fielen. Skalar war der verzweifelte Versuch gewesen, Klarheit über diesen Vorgang zu gewinnen. Die Dominosteine ausfindig zu machen und ihnen Einhalt zu gebieten, ehe der letzte davon umkippen konnte.
Und Peter hatte ihnen Einhalt geboten.
Warum also wurde nun von irgendwem versucht, die Steine wieder anzustoßen? Die Leute, die Garner ermordet und ihm sowie Paige die Falle in Ouray gestellt hatten, arbeiteten auf die eine oder andere Weise gegen das Endergebnis von Skalar an. Irgendwelche Strippenzieher im Hintergrund hatten es darauf abgesehen, diesen Erfolg zunichtezumachen. Und damit hatten sie wahrscheinlich längst begonnen.
«Was Peter veranlasst hat, geschah in unser aller Interesse», sagte Travis. «Wer um alles in der Welt könnte es darauf abgesehen haben, das rückgängig zu machen?»
Die Frage hing in der Luft. Niemand hatte eine Antwort darauf. Schneeflocken wirbelten vor ihnen im Licht der Scheinwerfer umher wie Sterne, die sich vom Himmelszelt losgerissen hatten.
«Wir benötigen mehr Details», sagte Paige. «Wir müssen herausfinden, mit wem genau mein Vater sich 1987 getroffen hat. Dann müssen wir
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