Das Labyrinth erwacht: Thriller (German Edition)
ein einziger Laut war von ihr zu hören. Auf Dauer so getragen zu werden, war bestimmt unangenehm und inzwischen musste das Blut sich in ihren Beinen stauen, sodass ihr verletzter Fuß wahrscheinlich höllisch schmerzte. Trotzdem jammerte sie nicht.
»Ich glaube, dahinten zieht Regen auf«, sagte sie plötzlich. Jeb wäre beinahe gestolpert, so überrascht war er. Er wandte den Kopf. Ja, am Horizont wurde es dunkel, aber ob das Regenwolken waren, vermochte er nicht zu sagen.
Regen wäre wunderbar, dachte er, versuchte aber, nicht darauf zu hoffen.
Der Wald. Der Wald ist alles, was zählt, dort finden wir Schutz und Wasser.
Bei seinem Anblick spürte er, dass er noch Kraft hatte, Jenna weiterzuschleppen. Nein, er würde nicht aufgeben.
»Keine Ahnung, ob das Regen ist«, erwiderte er.
»Ich glaube, dein Trick hat funktioniert.« In ihrer Stimme schwang Hoffnung mit.
»Ja, denke schon.« Er sagte ihr nicht, dass es ebenso gut sein konnte, dass sich die Jäger getrennt hatten und nun vielleicht in zwei Gruppen jagten. Und doch hatte er ein gutes Gefühl. Sie würden es in den Wald schaffen, danach würden sie weitersehen.
»Geht es noch bei dir? Sollen wir lieber eine Pause machen?«, fragte Jenna.
»Ist schon okay. Wir rasten nachher im Wald, hier ist es zu heiß. Wie fühlst du dich?«
»Der Fuß tut ein bisschen weh, aber sonst ist alles okay.«
Er ging davon aus, dass sie maßlos untertrieb, um ihm nicht noch mehr Probleme zu bereiten. Er war froh, dass Jenna bei ihm war, trotz allem.
»Jenna? Kannst du dich an irgendetwas erinnern, was vor deiner Zeit im Labyrinth liegt?«
Jenna schwieg einen Moment, als müsste sie nachdenken.
»Nicht… nicht so richtig. Es sind nur vereinzelte Bilder, die kommen und wieder verschwinden. Ich weiß, sie haben mit mir zu tun, aber so richtig einordnen kann ich sie nicht.«
»Bitte erzähl mir davon«, sagte Jeb. Er hoffte, mehr über sie zu erfahren. Und vielleicht würde es ihn ein wenig von den Strapazen ablenken.
»Wie gesagt, manchmal tauchen Bilder auf. Ich sehe mich selbst auf einem Pferd reiten. Es ist ein großes schönes Tier. Wir sind in irgendeinem Wettbewerb und die Zuschauer feuern mich an. Wenn ich versuche, mich auf dieses Bild zu konzentrieren, verschwimmt es und vor mir steht eine Frau. Sie trägt ein weißes Kleid, die blonden Haare sind streng nach hinten gebunden. Sie sieht auf mich herab und sagt etwas, aber ich höre ihre Stimme nicht. Alles was sie sagt, bleibt ein dumpfes, sinnloses Gemurmel. Dann verschwindet diese Szene und ich liege auf dem Rücken, starre auf nacktes Weiß. Nichts als Weiß. Keine Linien, keine Formen. Ich verliere mich in dem Weiß. Schließlich taucht dein Gesicht über mir auf. Du beugst dich zu mir herab und sagst deinen Namen und es ist… es ist so, als würde ich dich schon lange kennen.«
Mir ging es ähnlich mit dir, dachte Jeb, aber er sprach die Worte nicht aus. Die Gefühle der Vergangenheit waren ohne Bedeutung, nur die augenblickliche Situation zählte.
Und dennoch, er erinnerte sich an jedes Detail dieser ersten Begegnung. Wie schutzlos sie dagelegen hatte. Ihr Anblick hatte ihn tief berührt und tat es immer noch.
»Und du hast keine Ahnung, was das alles zu bedeuten hat?«, fragte Jeb, um sich von diesem Gedanken abzulenken.
»Nicht den leisesten Schimmer. Das Reiten kann ich mir noch erklären, aber was es mit der alten Frau auf sich hat, keine Ahnung. Die Szene ist irgendwie beunruhigend.«
»Das glaub ich.« Jeb war froh, dass er Jenna das Reden überlassen konnte. Er mochte ihre Stimme, sie begleitete seine mühsamen Tritte auf dem flirrenden Gras, und dass er nicht allein war, beruhigte ihn.
»Weißt du, ich fühle mich so, als wäre ich irgendwie aus der Zeit gefallen. Und ich bin überzeugt, dass ich zurückkehren kann, in diese andere Zeit. Dass auch du zurückkehren kannst. Du musst nur durchhalten – aber anstatt dass ich… dass wir uns gegenseitig dabei helfen durchzuhalten, schleppst du ein viel zu großes und schweres Mädchen, ungeachtet aller Gefahr, durch eine fremde Welt und versuchst das Unmögliche. Weißt du, was, Jeb?«
»Was?«
»Ich mag dich.«
Als er begriff, was sie ihm gerade gesagt hatte, begann sein Gesicht zu glühen, nur hatte es dieses Mal nichts mit der Hitze der Luft zu tun.
Jenna hatte ausgesprochen, was er die ganze Zeit gefühlt, aber sich nicht getraut hatte auszusprechen. Doch nun, da die Worte zwischen ihnen hingen, wurde er nachdenklich.
Sie waren in
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