Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)
nur für Euch?« .
»Sie ist die reiche Herrin einer Druckerei und einer Papiermühle. Und sie hat Freunde und Verwandte in hohen Stellungen in Venedig.«
»Laßt mich überlegen. Vielleicht fällt mir bis morgen etwas ein.«
Abends war der Wind so weit abgeflaut, daß vom Südufer der Bucht, von der Festung Rose, einige Ruderboote zu uns herüberkommen konnten. Bis zum Einbruch der Dunkelheit hatten sie die ersten hundert Offiziere, Händler, Seeleute und Soldaten auf die andere Seite gebracht und die Zurückbleibenden mit Decken und Nahrung versorgt.
Bekim hockte neben mir an einem Feuer, das wir uns mit sechs anderen teilten. Wir hatten Brot und einige Fetzen Fleisch gegessen; Wein gab es reichlich. Der Wind kam vom Meer; zwar konnten wir den Lärm der türkischen Geschütze hören, die immer noch die Spanier in der Festung beschossen, aber durch den Seewind wurde alles gedämpft. Bekim stand auf, um sich die Beine zu vertreten und eine Weile die blitzenden Mündungsfeuer zu betrachten. Dann setzte er sich wieder zu mir und berührte mich am Arm. »Herr?«
»Jakko.«
Er lächelte; im Feuerschein sah ich seine Zähne. »Herr Jakko«, sagte er. »Ich habe viele Fragen.«
»Frag.«
»Warum willst du nicht Herr genannt werden?«
»Ich weiß, daß ich dich bezahle und also dein Herr bin; und da ich es weiß, mußt du mich nicht unausgesetzt daran erinnern.«
»Gut – Herr. Was hast du mit dem türkischen Offizier besprochen? Geht es um deine Frau?«
»Ich habe ihn nach Karim Abbas gefragt. Er wollte wissen, ob wir Freunde sind. Er scheint ihn nicht zu mögen.«
Bekim nickte. »Wer ihn nicht kennt, mag ihn achten; wer ihn kennt, kann ihn nicht lieben. So heißt es jedenfalls. Hat er etwas dazu gesagt?«
»Er will überlegen. Bis morgen.«
»Es wird Geld kosten.«
»Ich habe Geld.«
»Meinst du denn, daß Karim deine Frau noch nicht ... beschädigt hat?«
»Ich hoffe es. Er wollte, daß ich bis zum Ende in Herceg Novi bleibe, nicht fliehe. Ich bin nicht geflohen – die Spanier haben mich nicht eingelassen.«
»Wird er das glauben?«
»Wir werden sehen.« Ich seufzte leise. »Bei dem Beschuß... Wer weiß, wie viele Spanier noch leben. Wer weiß, ob ich noch leben würde, wenn ich in der Stadt oder in der Festung gewesen wäre. Als Toter kann ich Laura nicht helfen.«
»Kennst du dich mit den Türken aus?«
»Nein. Aber mit Kriegern.«
»Ah.« Bekim schwieg einen Moment. Dann sagte er: »Es kann sein, daß das hilft. Es ist aber nicht sicher.«
»Was hast du vorhin gemeint – ›es wird Geld kosten‹?«
»Wenn du dich mit Kriegern auskennst, weißt du, daß sie immer schlecht bezahlt werden, nicht wahr? Wenn man sie also bezahlt, könnte es sein, daß sie Dinge tun, die sie sonst nicht täten.«
»Du klingst, als ob du mir einen Rat geben wolltest. Sprich.«
Er schien zu zögern; schließlich sagte er: »Du wirst dem Hauptmann Geld geben; er bringt dich zu einem höheren Offizier. Dem wirst du auch Geld geben, aber du wirst nicht bis zum General kommen.«
»Ich muß es versuchen.«
»Gewiß, Herr. Jakko. Aber wenn du nicht bis zu diesem Perser kommst, der das Landheer befehligt, was willst du tun?«
»Ich weiß es noch nicht. Vielleicht fällt mir bis morgen etwas ein.«
Aber es gab keine großartige Lösung. Jedenfalls fiel mir keine ein. Die türkischen Geschütze feuerten, spuckten Blei und Steine und Tod in die Stadt und die Burg von Herceg Novi. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß dort noch viele lebten, aber offenbar hatte sich bis zu diesem Morgen noch niemand ergeben oder um Verhandlungen ersucht. Ein spanisches tercio ...
Der Hauptmann sah zu, wie die nächste Gruppe der Schiffbrüchigen zu den Booten aus Rose ging; als er mich erblickte, winkte er mich zu sich.
»Ich kann Euch zu einem Vorgesetzten bringen«, sagte er leise. »Aber dazu muß ich einige andere Offiziere ... beeinflussen.«
Ich nickte. »Damit habe ich gerechnet. Wie viele sind zu beeinflussen?«
»Fünf.«
Ich zog sechs goldene Altuns aus der Tasche und gab sie ihm.
»Wartet hier.«
Er verschwand und kam nach kurzer Zeit zurück. Wortlos nahm er mich am Arm und zog mich mit sich. Wir stiegen vom Ufer den Hang hinauf, wo eine schmale Straße verlief; dieser folgten wir nach Osten, dorthin, wo die breite Straße aus dem Hinterland von Ragusa zur Bucht und nach Herceg Novi führte. Aber von der Küste und den Straßen war kaum etwas zu sehen; alles war ein großes türkisches Lager, Labyrinth aus Zelten,
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