Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Titel: Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
war.«
    Katona klatschte in die Hände. Als einer der Männer aus der Wachstube den Kopf hereinsteckte, befahl er ihm, Wein und zwei Becher zu bringen.
    »Ich nehme an«, sagte ich, »daß du nicht jeden Leichnam, der irgendwo herumliegt, einsammeln und herbringen läßt.«
    Der Ungar wartete, bis der Mann mit einem Krug und Bechern gekommen war und sich wieder verzogen hatte. Er goß beide Becher voll und schob mir einen hin; dabei sagte er: »Einsammeln ja, aber nicht herbringen. Den haben sie hergebracht, weil sie ihn kennen.«
    »Hast du ihn beobachten lassen?«
    Katona lächelte flüchtig, schwieg aber.
    »Dann hat er also nicht nur für Bellini, sondern auch für dich gearbeitet.«
    Katona trank einen Schluck; er stellte den Becher nicht ab, sondern sprach über ihn hinweg und gewissermaßen an mir vorbei. Seine Augen richteten sich auf die Tür, die nicht ganz geschlossen war. »Spitze Ohren gibt es überall.«
    Ich stand auf und schloß die Tür. »Er hat also auch für die Osmanen gearbeitet?« sagte ich.
    »Das haben sie jedenfalls geglaubt. Und vielleicht haben sie begonnen, daran zu zweifeln.«
    »Kennst du den Mann mit Säbelbeinen und schleifendem Fuß?«
    »Es gibt einen, der so ähnlich geht.« Er stellte den Becher auf den Tisch und beugte sich vor. »Was ist deine Aufgabe hier?«
    »Ich soll versuchen, ein wenig Trost für Bellini zu beschaffen.«
    »Trost?«
    »Er grämt sich, weil er nicht genug weiß.«
    »Ah. Und da schickt er dich, einen Spielmann? Wie man sagt, spielst du gut, bist also wirklich Musikant. Oder?«
    Ich beschloß, daß wir das Abtasten längst beendet hätten und einigermaßen offen reden sollten. Offen, aber leise. »Das Heilige Bündnis«, sagte ich.
    Katona kratzte sich den Kopf. »Die unheilige Verbindung von Papst, Kaiser und Venedig? Was ist damit?«
    »Sie sind besorgt, jedenfalls in Venedig, weil in den vergangenen Monaten alle langen Ohren abgeschnitten worden sind, die für sie Geräusche und Gerüchte bei den Osmanen belauscht haben.«
    Er nickte. »Ich habe so etwas gehört.«
    »Der Krieg wird bald beginnen«, sagte ich. »Und ohne Kenntnis dessen, was der Feind plant, kann man selbst nicht gut planen.«
    Er lachte leise. »Das ist nur ein Teil. Es ist auch nicht einfach, wenn man nicht weiß, was die eigenen Verbündeten tun wollen. Die Heiligen und Unheiligen.«
    »Auch das. Die Spanier, zum Beispiel.«
    »Oder die Venezianer. Warum hat Bellini ausgerechnet dich hergeschickt?«
    »Das kann ich dir sagen. Er hatte nicht mehr viel Auswahl, nachdem die Türken fast alle anderen beseitigt haben.«
    »Hat er dir das gesagt?«
    »So ähnlich.«
    »Don Pelayo hat mir etwas anderes erzählt.«
    »Du machst mich neugierig.«
    »Er sollte mir von Bellini ausrichten, daß Venedig, also Lorenzo, seinen besten Mann schickt.«
    »Klingt gut«, sagte ich. »Ist aber eine nette Lüge.«
    »Noch einmal: Wer bist du? Und was hast du bisher gemacht?«
    Ich seufzte. »Es wird spät; ich habe noch eine Verabredung mit anderen Musikern, und die ganze Geschichte mag ich jetzt nicht erzählen.«
    Katona spitzte den Mund. »Eine Kurzfassung. Damit ich weiß, was ich von dir zu halten habe. Wie weit ich dir vertrauen kann.«
    »Als ich fünfzehn war, haben Söldner mein Dorf überfallen und alle getötet. Meine Familie und alle anderen. Ich war zufällig außerhalb des Dorfs, am Waldrand, und mußte alles sehen. Ich habe mir die Gesichter der Hauptleute eingeprägt, Als ich zwanzig war, habe ich angefangen, sie zu suchen.«
    »Und? Hast du sie gefunden?«
    »Es hat einige Jahre gedauert, und sie waren nicht besonders heiter, als ich sie schließlich fand. Jetzt sind sie, wo auch immer man ist, wenn man nicht mehr ist.«
    »Wo hast du sie erwischt?«
    »Im deutschen Bauernkrieg. In Rom, beim Sacco di Roma. In Wien. In Santo Domingo. Und den, der alles angeordnet hat, in Deutschland.«
    Katonas Gesichtsausdruck änderte sich nicht; es kam mir jedoch so vor, als ob seine Augen jetzt anders blickten. Wärmer vielleicht, oder mit einer Art Achtung.
    »Und dabei warst du in Venedig? Zwischendurch?«
    »Zwischendurch und danach. Meine Frau ist Venezianerin.«
    »Gut.«
    Da er nicht weitersprach, sagte ich: »Was heißt ›gut‹?«
    Katona grinste plötzlich. »Niemand ist unsterblich. Man sagt aber, wer größere Gefahren überlebt, ist vom Schicksal oder von Gott begünstigt. Und einer, der den Bauernkrieg, den Sacco und die Belagerung Wiens überstanden hat?« Er richtete den Blick auf meinen

Weitere Kostenlose Bücher