Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)
Euch dieses sagen. In Venedig stand ich neben Antonio Dandolo, als er Euch eine Maske gereicht hat. Und vor etwas mehr als vierzehn Jahren hörte ich in Paris Pater Durand über geheime Geschäfte von König François sprechen.«
Diese »geheimen Geschäfte« erfand ich – aber offenbar hatte es sie gegeben, denn diesmal zuckte der Priester sichtlich zusammen.
»Wer ... wer seid Ihr?«
»Ein wandernder Musikant mit vielen Fragen und einigen Antworten.«
»Wie alt wart Ihr, als Ihr in Paris gewesen seid?«
»Zwanzig.«
Er kniff die Augen zusammen. »Ihr wart nicht allein, oder doch? Nein; ich kann mich nicht erinnern, mit einem so jungen Mann ...« Dann preßte er die Lippen zusammen. »Kassem ben Abdullah!« Es klang wie ein Stoßseufzer – eher einer der Erleichterung denn der Klage. »Ihr und – ah, zwei andere, nicht wahr?«
»Euer Gedächtnis ist bewundernswert.«
»Was bringt Euch nach Dubrovnik? Und steht Ihr noch in Verbindung mit meinem alten Freund Kassem?«
»Ich hoffe, in den nächsten Tagen von ihm zu hören.« Ich beugte mich vor. »Aber Ihr, Pater – Kassems und also der Türken Freund, als Franzose die Geschäfte von François, als Burgunder die Anliegen des Kaisers, als Sohn der Kirche die Wünsche des Papstes? All dies? Oder noch mehr? Und wie soll ich Euch nennen?«
»Larbaud, in Dubrovnik.« Er lächelte und faltete die Hände auf dem Tisch. »Aber Pater genügt, falls Ihr ein treuer Sohn der Kirche und nicht etwa reformierter Apostat seid.«
»Na gut, Pater – und für wen arbeitet Ihr?«
»Die Kirche, mein Sohn, steht über den Dingen. Sie ist, könnte man sagen, einerseits hin und wieder Partei, andererseits unparteiisch.«
»Könnte man sagen, gewissermaßen.« Ich nickte. »Was könnte wohl Katona sagen, gewissermaßen, wenn er all Eure Namen erführe? Zum Beispiel von mir?«
Larbaud löste die gefalteten Hände voneinander; wieder zupfte er mit der Rechten am linken Ohrläppchen. »Katona?« Er runzelte die Stirn. »Katona kennt mich als Priester, der hin und wieder zufällig etwas hört, was Dubrovnik betreffen könnte. Mehr wäre ... unerfreulich.« Er lächelte. »Gewissermaßen. Könnte man sagen.«
»Dann laßt uns ein wenig über das nachdenken, was mich daran hindern könnte, Katona gegenüber unerfreuliche Dinge zu erörtern.«
»Was wollt Ihr? Geld?«
»Kenntnisse.«
Er lachte. »Billig, mein Sohn. Und was, wenn sich die Kenntnisse später als allzu billig oder unzutreffend erweisen?«
»Dann«, sagte ich langsam, »werden ich, Kassem, Katona und Bellini Wege finden, Euch zu einer ... Nachzahlung der unerfreulichen Art zu zwingen.«
»Bellini?« Larbaud ließ die Mundwinkel hängen. »Also Venedig, wie? Was Euch betrifft, meine ich.«
»Was mich betrifft, bin ich Musikant. Meine Frau lebt in Venedig, weshalb ich der Serenissima Unheil ersparen möchte. Und ich habe länger keine verläßlichen Nachrichten von Kassem erhalten.«
Er schüttelte den Kopf. »Von Kassem weiß ich nur, daß er bald zum Amselfeld reisen soll, aber weder wann noch wozu. Venedig? Hm, laßt mich nachdenken.«
Ich ließ ihn überlegen. Dabei sagte ich mir, daß ich eigentlich nichts zu verlieren hatte. Außer, möglicherweise, meine ohnehin zweifelhafte Unbescholtenheit in den Erwägungen der Kirche. Aber ob Pater Durand-Corgoloin-Larbaud es für tunlich befände, meinen Namen ins linke Ohr eines Inquisitors zu flüstern? Ich könnte ja ein paar Namen ins rechte Ohr brüllen.
»Hört zu«, sagte er schließlich. »Ein Rat gegen Schweigen?«
»Das kommt auf den Rat an.«
»Natürlich. Sagen wir so. Es gibt gewisse Absichten – man könnte auch Vorkehrungen sagen –, von denen ich weiß, die ich aber nicht unbedingt billige. Wenn sie durchkreuzt würden, hielte sich mein Leid in Grenzen.«
Ich lachte leise. »Die Wünsche der Herren sind nicht immer vereinbar mit denen der Diener; ich kenne das.«
»Das nehme ich an. Aber vergeßt bei allem nicht, daß der Arm der Kirche notfalls sehr lang ist.«
»Ich werde es nicht vergessen, mon père.«
»Gut, mein Sohn.« Er lächelte und klang plötzlich sehr salbungsvoll. »Es gab einmal, ich weiß nicht mehr wo und wann, eine Schlacht, bei der ein Fürst die besten Truppen der Bundesgenossen in die erste Reihe gestellt hat. Vielleicht, um den Feind zu besiegen, aber auch, um den Verbündeten zu schwächen. Soll ich dich zum Abschied segnen, mein Sohn?« Er stand auf.
»Danke, Pater, aber das wäre der Güte zuviel. Laßt mich einfach
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