Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)
den erfrischenden Trank bezahlen.«
Ich begab mich nach kurzem Bedenken zu Katona und bat ihn um Papier, Feder und Tinte. »Und verläßliche Zustellung«, sagte ich.
Er zog die Brauen zusammen. »Wenn ich als Kurier dienen soll, will ich wissen, was ich befördere.«
»Du sollst zwei Schreiben übermitteln lassen. An Bellini in Venedig, und an den Admiral Vittore Capello bei Korfu.«
Katona verschränkte die Hände hinter dem Kopf und starrte an die Decke. »Ah. Capello befiehlt die venezianischen Schiffe bei der Flotte der Heiligen Liga. Und um was geht es?«
»Kann ich davon ausgehen, daß dir eine Übermacht ... sagen wir, ein Ungleichgewicht der Mächte in diesem Teil des Meeres unlieb wäre?«
Er löste die Verschränkung der Hände und beugte sich vor. »Weißt du etwas, was ich nicht weiß?«
»Es könnte sein, daß dem Kaiser eine Schwächung Venedigs wichtiger ist als ein Sieg über Khaireddins Flotte.«
Katona schloß einen Moment die Augen, öffnete sie dann wieder und nickte. »Könnte sein. Soll ich der Sache noch ein wenig Nachdruck verleihen?«
Ich zögerte. »Bellini gegenüber? Nicht nötig. Aber Admiral Capello könnte zweifeln.«
Katona grinste. »Ich kenne jemanden, der ihm alle Zweifel zerstreuen kann.«
»Du wirst mich sicher nicht sagen, wer das ist.«
»Nein, das behalte ich für mich.«
»Du sollst auch deine kleinen Geheimnisse haben.«
Er lachte. »Schwein«, sagte er.
Ich grunzte laut und beendete das Schreiben an den Admiral. Während Katona es las, schrieb ich an Bellini, ein französischer Priester habe mir erzählt, manchmal sollten sich Verbündete, die nicht geschwächt werden wollten, nicht in die erste Reihe stellen.
Bisher habe ich mich mehr oder minder an die Abfolge der Dinge gehalten; um den Fortgang nicht allzu unübersichtlich zu machen, will ich nun kurz bei den wichtigen Ereignissen bleiben und mich danach wieder den unwichtigen, meinen eigenen Erlebnissen, zuzuwenden.
Am 22. September kam es vor Preveza – vor der Bucht von Actium, in der einst Octavian und Agrippa die Flotte von Marcus Antonius und Kleopatra besiegten; seltsam, wie sich an manchen Stellen Geschichte selbst zitiert- zur Seeschlacht zwischen der Heiligen Liga und dem Osmanischen Reich. Es war insofern ein türkischer Sieg, als die Liga ihr Ziel, die Türken aus der Adria zu vertreiben, nicht erreichte. Beide Seiten erlitten Verluste, und es wurde verbissen gekämpft. Später war zu hören, man habe sich über das Zaudern des alten Andrea Doria gewundert, der sein Admiralsschiff und einige andere Einheiten nicht oder kaum einsetzte; man pries die Kampfkraft spanischer Infanteristen unter einem Hauptmann Machin de Munguía, die im Gefecht Bordwand an Bordwand die türkische Übermacht zurückschlugen; und man stellte fest, daß die in der zweiten Reihe fahrenden Venezianer nur zwei Galeeren verloren hätten.
Ich schlenderte durch Dubrovnik und machte weite Wanderungen in der Umgebung, immer in der Hoffnung auf Nachrichten über Kassem. Außerdem gab es Musik und Wein, und mein Kroatisch wurde allmählich recht geläufig.
Ende Oktober machten plötzlich Gerüchte über ein spanisches Landungsunternehmen die Runde. Ich erinnerte mich an die von Kapitän de Gómara getadelte Nebenbemerkung eines Offiziers der Santa Barbara über eine Burg und suchte Katona auf. Natürlich wollte ich wissen, ob er Neues über Kassem gehört habe; und ich hoffte, von ihm mehr über diese Gerüchte zu erfahren.
Katona grinste. »Hat Pelayo dir nichts gesagt?«
»Nicht einmal Andeutungen.«
»Guter Mann. Aber das Schweigen hat jetzt keine Bedeutung mehr. In ein paar Tagen wissen es ohnehin alle. Was weißt du von Venezianisch Albanien?«
Ich zögerte. »Nicht viel«, sagte ich dann. »Ein Stückchen flache Küste und bergiges Hinterland, nicht weit südöstlich von hier. Ein paar venezianische Soldaten, ein paar Festungen, ein vornehmer Provveditore, der alles befehligt. Ich nehme an, die Türken sind nicht begeistert darüber, daß es ihnen bisher nicht gelungen ist, dieses Stück Land einzunehmen.«
»Sie sind betrübt. Weinerlich, könnte man sagen. Ah, warte, das geht besser ... so.« Er langte unter die Tischplatte, wo es offenbar ein unverschlossenes Fach gab, und zog eine dicke Papierrolle hervor. Als er sie entrollt und die Seiten mit einem Stein, einem Federkasten und seinem Tintenfaß beschwert hatte, sah ich, daß es sich um eine Landkarte handelte. Ich stand auf und ging auf seine Seite des
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