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Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Titel: Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Pasteten? Gleichviel – all das fehlt dir, und außerdem fehlt dir Bronze für den Schiffbau, den du angeblich aufgegeben hast. Und bei alledem schwappt dir der ferne Ozean, auf dem du nie gesegelt bist, ins Gemüt.«
    Er legte die Hand auf meinen Unterarm und drückte; es konnte aber auch eine Art Streicheln sein. »Du verstehst mich«, sagte er mit einem breiten Lächeln. »Ich habe es gleich gewußt, als ich dich das erste Mal gesehen habe. Daß du mich verstehen würdest. Ich glaube, ich kann dich gut leiden.«
    »Das freut mich. Ich mag dich nämlich, Goran, weil du so verrückt bist, wie ich es hoffentlich in deinem Alter auch sein werde. Bis dahin ist noch ein langer Weg, aber ich kann mich ja beim Verblöden etwas beeilen.«
    »Spute dich, mein Junge.«
    »Schleunig will ich mich sputen und den Fohlen meiner Jahre die Sporen ins Weiche rammen. Aber sag, bist du nicht wegen der Tavernen hier? In den Tavernen gibt es Pfeffer und Zimt.«
    »Noch. Aber das wird immer teurer.«
    »Warum bleibst du wirklich so lange in Dubrovnik? Warum bist du nicht längst zurückgefahren nach Orebic? Ich dachte, du hättest den Schiffbau deinen Söhnen übergeben und wolltest jetzt nur noch mit Velimir und anderen trinken.«
    »Ja, ja, die Söhne. Sie bauen mit ihren Frauen, die mich nur mühsam anlächeln, Kinder, und außerdem zeugen sie Schiffe. Boote. Aber ich habe Anteile am Geschäft behalten, verstehst du? Und deswegen ist es mir nicht gleichgültig, ob sie Bronze haben oder nicht.«
    »Anteile, von denen du dein Greisenbrot kaufen mußt?«
    »Eben solche. Deshalb.«
    Ich beugte mich vor. »Noch einmal: Warum bist du hiergeblieben? Und bitte, bitte, ehrloser Greis, sag es mit weniger Umwegen als bisher, sonst verliere ich dich aus den Augen.«
    Goran rümpfte die Nase. »Deine Augen? Diese blauen Knöpfe? Nun ja. Ich habe ein Schiff hergebracht. Mein letztes. Das letzte, das ich größtenteils selber gebaut habe. Ich will es verkaufen, gut verkaufen, aber im Augenblick mag niemand das zahlen, was ich verlange.«
    »Hat das mit dem Krieg zu tun?«
    »Es hat. Wer will denn ein Schiff kaufen, wenn er nicht weiß, ob er es nicht morgen oder übermorgen der Republik und den Türken übergeben muß, damit die es von den Spaniern oder Venezianern versenken lassen? Und um weitere Schiffe zu bauen, an deren Verkauf ich beteiligt wäre, brauchen meine Söhne Bronze. Bronzeplatten für den Rumpf, damit die Bohrwürmer nicht zu laut schmatzen, sondern hin und wieder weinen, weil ihnen die Zähnchen wehtun.«
    »Das habe ich jetzt endlich verstanden.« Ich leerte meinen Becher, goß den Rest Wein aus dem Krug hinein und winkte der Schankmagd. »Auffüllen, o Holde, wenn’s beliebt«, sagte ich. Dann wandte ich mich wieder an Goran. »Nur, damit du weiter weinen und denken kannst. Ich werde dir dabei helfen.«
    »Mußt du nicht mehr spielen?«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht. Kann sein, daß ich keine Lust haben werde, wenn die anderen weitermachen. Die können das auch gut ohne mich. Sag, wie bist du hergekommen? Mit dem einen Schiff? Und wenn du Bronze und Zimt kaufen könntest, würdest du das auf Eseln über Land nach Orebic bringen?«
    »Zwei Schiffe«, sagte er. Plötzlich klang er völlig nüchtern. »Das neue haben wir geschleppt. Jetzt liegen beide im Hafen von Gruž.«
    »Und die Leute? Was ist mit der Mannschaft?«
    Er seufzte. »Sie hatten Heimweh. Einige jedenfalls. Ein paar Tage saufen und huren, schön, aber dann wollten sie wieder zu den heimischen Töpfen und Röcken. Sieben waren wir, und das ist gerade genug, um ein Schiff zu segeln und das zweite zu schleppen; es muß ja gesteuert werden. Zwei sind noch da; die anderen fünf sind zu Fuß heimgereist. Und ich sitze hier und warte darauf, daß jemand mir das Schiff abkauft. Damit ich mit dem Erlös Zimt und Bronze kaufen kann. Mit dem Erlös, den es nicht gibt. Zimt und Bronze, die es nicht gibt. Und ich bin noch nie auf dem richtigen Ozean gewesen. Wundert es dich da, daß ich schwermütig bin und saufe?«

NEUN
Neue Fragen und eine Botschaft
    N ach und nach gediehen meine Sprachkenntnisse. Und ganz allmählich war ich imstande, aus all den Gerüchten und Geschichten und Behauptungen, die ich in den Schänken und auf den Straßen hörte, ein wiewohl noch lückenhaftes Bild zusammenzusetzen. Beim Ausfüllen der Lücken half mir Katona; er half mir aber auch bei einer unerwarteten Schwierigkeit.
    Irgendwann in den ersten Septembertagen trieb ich mich wie so oft durch

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