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Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Titel: Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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die alten Handelsstrecken. Du weißt schon – Mostar, Pristina, Belgrad, Sofia, so etwas.«
    »Kaum. Wir haben ja Krieg, auch wenn man nicht viel davon bemerkt.«
    »Falls jemand etwas nach Pristina oder Sofia zu schaffen hätte, wäre es denn möglich?«
    »Willst du dich da irgendwo umschauen? Berge zählen? Mit einsamen Schafen tändeln?«
    »Könnte sein. Irgendwann wird mir das hier zu langweilig, fürchte ich.«
    Er zwinkerte. »Langeweile für Bellini? Reisen für Venedig? Oder so?«
    »Oder anders.«
    »Wenn ich etwas höre, sage ich dir Bescheid. Aber ohne ferman kommt man nicht weit.«
    An einem anderen Abend bei Valerio kam ein Bote, der uns der Reihe nach betrachtete und dann Zlatko einen versiegelten Brief aushändigte.
    »Seit wann kannst du lesen?« sagte Boboko.
    »Wenn ich nicht lesen könnte, wer würde mir dann schreiben?«
    »Oh, viele. Einer, der es nicht weiß. Oder der es weiß, den es aber nicht kümmert. Oder einer, der dich foppen will.«
    Ardiana schielte über Zlatkos Schulter. »Was ist es denn?«
    »Eine Einladung. Wir sollen morgen abend spielen.«
    Die Einladung war unterzeichnet von Meister Nikola. Wir sollten uns bei Sonnenuntergang im Innenhof eines Hauses in der Nähe des Dominikanerklosters einfinden.
    »Schreibt er, wen wir unterhalten sollen?« sagte ich.
    »Er hat es unterlassen.«
    »Ausgerechnet in der Nähe der Dominikaner. Giftschlangen. Natterngezücht.« Tomislav rümpfte die Nase und machte mit Zunge, Lippen und viel Luft einen lauten Pferdefurz.
    »Der Abt«, sagte Konstantinos. »Neulich habe ich gehört, daß sie ihn auch die ›Große Spinne‹ nennen.«
    »Bastelt er Netze?«
    »Solche, in denen sich viele verfangen, die dann Ärger mit der Inquisition bekommen.«
    Ob es der Wein war, das Essen, die besonders wüste Musik an diesem Abend oder das Gespräch über die Einladung – in dieser Nacht träumte ich von einer Grube, in der Flammen züngelten, die zugleich Schlangen waren. Über der Grube stand oder schwebte eine Eule; dann rüttelte sie wie ein Raubvogel, öffnete den Mund, sagte etwas, das für mich bestimmt war, aber ich konnte es nicht verstehen. Sie stürzte sich in die Flammen, löste sich jedoch auf, ehe sie den Knäuel der Schlangenflammen erreichte.

DREIZEHN
Seltsame Spiele
    D en ganzen Tag über kroch ein klebriger Seenebel um die Stadt, über die Küste und durch die Straßen. Erst als wir uns kurz vor Sonnenuntergang auf den Weg machten, lichtete er sich ein wenig, allerdings nur außerhalb der Stadt. In Dubrovnik selbst konnte man nur mühsam bis zur nächsten Ecke sehen, kaum mehr als zwanzig Schritte.
    »Wunderbarer Tag für Diebe und Meuchelmörder«, sagte Konstantinos.
    »Meinst du Dominikaner?«
    Das Haus, das offenbar Meister Nikola gehörte, erwies sich als von außen bescheiden, von innen üppig. Ein Palast mit gewissermaßen verschlossenem Antlitz. Über den Innenhof hatte man einen großen Baldachin gespannt; darunter versuchten Fackeln, den Nebel zu verdünnen oder wenigstens zu durchlöchern.
    In den Räumen des Erdgeschosses – straff gespannte Stoffbänder sperrten die Treppenzugänge – standen überall große und kleinere Tische, beladen mit Platten, Krügen und allerlei Trinkgefäßen, vom schlichten Becher bis zum kostbaren Glas. Diener, die aus den Tiefen des Hauses wie Korken auftauchten, räumten leere Platten und benutztes Geschirr ab und sorgten unaufhörlich für Nachschub an Nektar und Ambrosia.
    Wir spielten im Hof, ein wenig seitlich, wo man uns Schemel bereitgestellt hatte, dazu einen Tisch mit Bechern, Wein, Bier und Wasser. In den Pausen, die wir nach jeweils fünf oder sechs Stücken einlegten, holten wir uns Leckereien aus dem Haus, betrachteten die Gäste und versuchten, aus ihrer Kleidung auf ihre Bedeutung zu schließen.
    Ich wunderte mich allerdings, daß man uns im nebligen Vorhof spielen ließ statt dort, wo Musik den einen oder anderen Gast erbauen mochte. Zwischen dem zweiten und dritten Stück fragte ich Boboko, der neben mir auf einem Schemel saß, ob er eine Erklärung dafür habe.
    »Vielleicht wollen sie uns nicht in ihrem edlen Haus haben«, sagte er.
    Zlatko hatte offenbar zugehört; er lachte und schüttelte den Kopf. »Wenn Meister Nikola zuständig ist? Der hält Musiker nicht für Abschaum. Er hat sich aber bestimmt etwas gedacht.«
    »Was denn?«
    »Schon vergessen, wie er dich befragt hat? Vielleicht will er sicher sein, daß wir alle Gäste sehen. Damit wir ihm später über den einen

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