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Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Titel: Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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wecken.«
    »Sie weckt besonders gut«, sagte Zlatko um das Mundstück seines Krummholzes herum.
    »Es war ja nur die reine Neugier«, sagte ich. »Die ich befriedigen wollte, ehe ich aufbreche. Ich bin mit einem wichtigen Mann verabredet, der vielleicht Geld für Musik ausgeben will.«
    »Befriedigen?« Ardiana zupfte an meinem Ohrläppchen und ging zurück zu ihrem Stuhl. »Ach so, die Neugier. Tja, Süßer, das mußt du irgendwie allein erledigen.«
    »Wie denn?«
    Sie lachte. »Laß dir was einfallen. Aber erwarte doch von mir nicht, daß ich ja oder nein sage, wenn es so viele verschiedene Formen von vielleicht gibt. Das wäre doch langweilig.«
    Gespräche mit den anderen verliefen ähnlich. »Boboko, kann es sein, daß du als Zigeuner für die Türken arbeitest?«
    »Das kann schon sein. Muß aber nicht.«
    »Tomislav – welche Sorte Rhythmus ist für deine Trommeln eigentlich am besten: kaiserlicher, französischer, päpstlicher, türkischer?«
    »Mein eigener.«
    »Konstantinos, magst du mir sagen, für wen du arbeitest? Wenn ihr schon alle annehmt, daß es bei mir Venedig ist, will ich auch etwas anzunehmen haben, was euch angeht.«
    »Ich mag es dir nicht sagen; dann hättest du doch nichts mehr, was du einfallsreich annehmen kannst.«
    »Zlatko, und du?«
    »Jakko, und ich?«
    »Für wen?«
    »Gegen die übrigen.«

    Mutmaßungen anzustellen war durchaus erheiternd, führte aber zu nichts. Hin und wieder redeten wir über Gerüchte oder Nachrichten, die eine der möglichen Mächte betrafen. Aber nach Lage der Dinge betrafen alle Meldungen jeden, und alle Gerüchte sowieso.
    Ein paar Tage lang versuchte ich herauszufinden, was der edle Maure mit seinem Geld in dem schäbigen Vorort getan haben könnte. Oder an einer Stelle, von der aus er durch diese Vorstadt gehen würde. Aber es gelang mir lediglich, unweit der Stelle des Überfalls einen Mann zu finden, der ein gebrochenes Handgelenk hatte. Er sei von einem Pflaumenbaum gefallen, behauptete er; als ich sagte, es sei zu früh im Jahr für Pflaumen, erhielt ich zur Antwort, man müsse ja nicht nur ernten, sondern manchmal auch Bäume beschneiden. Der Mann mit dem gebrochenen Handgelenk mochte durchaus der Messerstecher sein, aber ich hatte an jenem Abend sein Gesicht nicht deutlich genug gesehen. Er meines auch nicht, wenn er es tatsächlich war; jedenfalls gab er nicht zu erkennen, daß er mich schon einmal gesehen haben könnte. Als ich ihm Geld bot für Auskünfte über den Mauren – ich begann mit einer Zechine und gab bei zehn auf –, sagte er nur, er habe genug Geld und müsse Fremde nicht an andere Fremde verkaufen.

    So ging alles weiter wie zuvor. Allmählich wurde ich unruhig, was die Möglichkeiten betraf, nach Pristina zu gelangen. Unruhig, aber noch nicht sehr. Ich hatte viele Leute befragt, um festzustellen, ob man als wandernder Musiker, Lohnschreiber oder notfalls Maultiertreiber zum Amselfeld reisen könne. Ein Musiker, hieß es, brauche einen ferman , aber Murad Effendi, Vertreter des Sultans, sei mit solchen Reisepapieren nicht freigebig. Ein Lohnschreiber müsse dort natürlich das Türkische in Wort und Schrift beherrschen, und an Maultiertreibern herrsche kein Mangel.
    Also weiter warten und bei Valerio spielen. Oder zwischendurch woanders – bei Tanzfesten, Vorstadtmärkten, hin und wieder im Haus eines Reichen, der Gäste sammeln und zugleich zerstreuen wollte. Antonio Dandolo besuchte Valerios Schänke, wo wir einander gewissermaßen kennenlernten, so daß wir unauffällig ein paar Worte wechseln konnten. Zufällig waren an diesem Abend auch Goran und Velimir dort. Sie saßen in einer Ecke, tranken, lauschten nebenbei der Musik und würfelten. Antonio setzte sich zu ihnen. Ich beachtete die drei zunächst nicht weiter. Später sah ich, daß sie offenbar gut miteinander auskamen und daß Antonio einige Münzen an sie verloren hatte. Dies wiederholte sich, so daß Antonio plötzlich irgendwie zur Truppe gehörte.
    Eines Abends ergab es sich, daß wir fast gleichzeitig eintrafen, vor den anderen. Wir setzten uns mit Wein und Dörrfisch an einen Tisch und plauderten. Antonio erging sich in schwelgerischen Beschreibungen der Nutzlosigkeit seiner Untaten im Kontor; als er von bereits dreimal überprüften Handelslisten redete, die er als vierter zu sichten habe, fragte ich ihn, ob überhaupt noch Handel mit dem Hinterland stattfinde.
    »Hinterland?« Er grunzte. »Was meinst du? Bergdörfer in der Einöde?«
    »Ich dachte eher an

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