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Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Titel: Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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der ich ein Weilchen zu verschwinden hoffte.
    »Aber ich kann da nicht allein auftauchen«, sagte ich, »ich nehme an, wir sollten uns unauffällig unter die anderen mischen und einfach in einer Ecke zu spielen beginnen. Oder in der Vorhalle, falls es so etwas gibt. Wenn ich verschwinde, spielst du weiter. Oder du läßt es.«
    »Kann ich verschwinden, wenn du verschwindest?«
    »Ich glaube schon. Es sei denn, jemand hält dich fest.«

    Wir spielten ein paar Stücke im großen Eingangsraum des Gästehauses. Laura, ein anderer Venezianer und mehrere beleibte ältere Frauen – wahrscheinlich Gattinnen hochrangiger Ragusaner – saßen an einem Tisch im nächsten Raum. Sie nippten an Pokalen, unterhielten sich, zuweilen wurde gelacht.
    Aber es war inzwischen nach Mitternacht. Die Damen von Ragusa erhoben sich bald, fingen ihre Gatten ein (oder wurden von diesen eingefangen) und gingen heim. Andere Gäste, die im Haus wohnten, verließen ebenfalls den Saal und ließen sich von Dienern den Weg durch einen langen Korridor zu einer entlegenen Treppe zeigen. Einer der Diener kam zu uns und sagte: »Es ist spät, Freunde; was schulden wir euch?«
    Ich achtete nicht auf das Feilschen, mit dem Zlatko und der Diener sich eine Weile vergnügten, denn eben kam Laura aus dem Saal. Sie schaute mich nicht an, aber ich sah, wie sie mit einem Auge kaum merklich zuckte; dann ging sie zum Korridor. Ich packte meine Fiedel in den Kasten. Der Diener streifte die daran angebrachte Scheide samt Degen mit einem Blick, kümmerte sich jedoch nicht weiter darum.
    »Ich würde mich gern noch schnell erleichtern, ehe wir gehen«, sagte ich.
    Ohne mich anzuschauen, sagte der Mann: »Die Bottiche sind am Ende des Gangs, links.«
    Der Korridor war leer. Als ich die Treppe erreichte, sah ich den Saum von Lauras Kleid oben auf dem Absatz verschwinden. Ich huschte treppauf und folgte Laura durch einen von zwei Ollämpchen kaum erhellten Gang zu einer Tür. Sobald ich eingetreten war, legte ich den Fiedelkasten auf ein Tischchen; sie schloß die Tür und schob den Riegel vor. Im Zimmer brannten zwei Kerzen; eine war etwas länger als die andere.
    »Leise«, hauchte Laura. »Die Wände sind sehr dünn.«
    Ich nahm ihre Hände. »Wie kommt es«, flüsterte ich, »daß du hier bist?«
    Sie ließ meine Hände los, damit sie die Arme um meinen Hals legen konnte. »Willst du mich nicht zuerst begrüßen?«
    Ich küßte sie, aber aus dem Begrüßungskuß wurde Wiedersehensfreude, dann Erkundung, Forschen und Gier. Ich zupfte an der Schleife, die über der linken Schulter das Kleid zusammenhielt, und spürte Lauras Finger an meinem Gürtel.
    »Wir müssen uns beeilen«, flüsterte sie.
    »Soll ich gleich wieder gehen?«
    Sie schob mich von sich und lächelte. Es war ein ganz eigenes, ganz bestimmtes Lächeln, bei dem mir die Beinkleider noch enger wurden und das pochende Herz weit.
    »Erst kommen, dann reden, dann gehen«, sagte sie leise.

    »Das hat mir gefehlt«, flüsterte sie später; sie biß mir sanft ins Ohr.
    »Göttliche«, murmelte ich, »es war köstlich. Und dringend. Wird das Bereden von Dingen auch köstlich sein?«
    Sie kicherte. »Nein, aber dringend. Es kam ein Schreiben an den Rat, vom Rat der Stadt Ragusa. Dubrovnik.«
    »Mitten im Krieg?«
    »Der geht ja irgendwie nicht richtig weiter. Und es geht auch darum. Alte Verbundenheit, Fortdauer des Handels trotz gelegentlicher Schwierigkeiten, und so weiter.«
    »Das übliche Geschwätz der Mächtigen?«
    »Eben dieses. Es gab einige Vorschläge. Darunter war die Frage, ob die berühmte Druckerei Rinaldi ein Zweigunternehmen hier aufmachen könnte.«
    Ich schwieg einen Moment. Dann flüsterte ich: »Seltsam. Und unsinnig.«
    »Sag warum; dann sag ich dir, was ich denke.«
    »Sie können jederzeit irgendwo einen erfahrenen Drucker finden. Kaufen. Gießer und Setzer und Gautscher und was man sonst braucht. Wann ist das Schreiben angekommen?«
    »Ich habe es vor zehn Tagen erfahren. Kann sein, daß es schon länger da war, bis der Rat sich an mich gewendet hat.«
    »Drei Tage höchstens, bei ganz schlechtem Wetter vielleicht fünf braucht ein Schiff. Vor ungefähr fünfzig Tagen hat ein einflußreicher alter Mann mich nach Druckereien gefragt, und natürlich habe ich den Namen Rinaldi erwähnt.«
    Sie nickte. »Könnte hinkommen. Ich hatte den Eindruck, daß der Rat ein wenig ratlos war. Vermutlich aus dem gleichen Grund – warum wollen sie in einem Augenblick, in dem sie als Teil des Osmanischen

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