Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)
oder anderen etwas sagen können.«
Da ich den Geldadel der Republik Ragusa nicht kannte, flüsterten die anderen mir hin und wieder einen Namen oder einen Rang zu. Der Rektor gehörte zu den ersten Eintreffenden, der Reeder X, der Handelsherr Y, der Oberste Richter, der Besitzer der besten Weinberge der Halbinsel Pelješac ... Über einen Mann, der eine Weile mit mildem Lächeln unserer Musik gelauscht hatte und später mit Meister Nikola und einigen ehrenwerten grauen Herren Gespräche führte, sagte mir Konstantinos, es handle sich um Murad Effendi, den Vertreter der Hohen Pforte. Antonio erschien kurz nach dem Rektor, mit einer verschleierten jungen Frau. Ich nahm an, daß es sich um eine Tochter des eigentlichen Kontorleiters handelte. Antonio zwinkerte uns zu und ging mit der Frau ins Haus.
Als ich mich eben fragte, ob der edle Maure al-Tahir oder at-Tahir, den sie – wie ich inzwischen wußte – nicht nur Otero, sondern manchmal auch Attaro oder Attairo oder Altairo oder Atello nannten, ebenfalls zu den Geladenen gehören mochte, griff Boboko auf seiner Laute daneben. Der Mißklang war geringfügig; wahrscheinlich konnte nur ein Musiker ihn bemerken. Ich hatte zum Portal geblickt, durch das eben ein besonders unförmiger Mann gegangen war, in einer Mischung aus Trippeln und Rollen. Um Boboko anschauen zu können, mußte ich den Kopf wenden; dabei streifte ich mit dem Blick die Leute, die eben den Hof betreten hatten. Es gelang mir, die nächsten Töne zu treffen und nicht aus dem Takt zu geraten.
Drei Türken gingen durch den Hof zum Portal. Oder genauer: zwei Türken und ein Araber, Karim Abbas. Halblaut sagte ich zu Boboko: »Mag deine Laute Karim nicht?«
»Wen?« Aber sein Lächeln war arg aufgesetzt.
Als ich das nächste Mal ins Haus ging, um etwas zu essen zu holen, sah ich Antonio, der mit einem Glas in der Hand an einer Säule lehnte und zu einem Durchgang blickte, in dem Katona stand und mit Karim Abbas sprach. Der »Großmütige Düstere« – wann mochte er in Dubrovnik angekommen sein – wann, woher, wozu?
Beim nächsten Stück trafen weitere Gäste ein, bei deren Anblick ich die Augen schloß und mich bemühte, die Fiedel nicht fallen zu lassen.
Es waren vier Venezianer, Handelsherren, die ich vom Sehen her kannte. Und Laura.
Boboko zischte neben mir. »Bist du seekrank?«
»Ich dachte, es hätte ein kleines Erdbeben gegeben.«
»Laß deine Saiten beben.«
Laura und die anderen Venezianer wurden am Portal von einem Mann begrüßt; später hörte ich, er sei der Sekretär des Rektors. Laura stand so, daß sie die Musiker sehen konnte. Ich wußte, daß sie mich sah; ich bildete mir ein, zu sehen, daß sie stutzte; ich war sicher, daß sie einen Mundwinkel hob, in einer Art geheimen Lächelns.
Ardiana sang. Bei diesem Stück hatte ich nur im Hintergrund ein wenig zu fiedeln, und ich glaube, das war gut so.
Bis zur nächsten Pause zerbrach ich mir den Kopf. Dann ging ich ins Haus.
Ich fand Laura in einem Gang zwischen zwei erhellten Sälen, in denen sich die Gäste drängten.
»Wir können hier nicht reden«, flüsterte sie.
»Wann und wo?«
»Das Gästehaus des Rektors.«
Ich nickte; bei einem der gemeinsamen Züge durch Schänken hatte Dandolo mir das Haus gezeigt.
»Wo da?«
»Wenn das hier zu Ende ist, wird dort weitergefeiert«, sagte sie. »Bring am besten noch einen oder zwei Musiker mit.«
Als ich zum Innenhof zurückging, kam ich an einer halb geöffneten Seitentür vorbei. Dahinter befand sich, nicht so strahlend erhellt wie die Säle, ein Raum, in dem Diener und Wächter saßen, standen und tranken. Ein Mann ging eben zu einem Tisch, um seinen Becher nachzufüllen. Sein linker Fuß schleifte ein wenig, und seine Beine waren gebogen.
Als das Fest sich aufzulösen begann, kam der oberste Diener oder Haushofmeister zu uns.
»Ihr könnt jetzt aufhören. Wer nimmt das Geld entgegen?«
»Notfalls jeder«, sagte Zlatko.
»Und außerhalb eines Notfalls?«
»Notfalls ich.« Zlatko grinste.
Während wir die Instrumente wegpackten, berührte ich ihn an der Schulter. »Ich brauche deine Hilfe«, flüsterte ich.
»Gefährlich? Oder musikalisch?«
»Vielleicht beides. Und verschwiegen.«
Er nickte.
Als wir auf der Straße standen, wandte er sich an die anderen. »Ich habe noch etwas zu erledigen«, sagte er. »Ich hoffe, es dauert nicht lange. Wir sehen uns bei Valerio.«
Bis wir das Gästehaus erreichten, hatte ich ihm auseinandergesetzt, daß es um eine Frau ging, mit
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