Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)
Reichs mit uns im Krieg sind, oder jedenfalls fast, ausgerechnet aus Venedig etwas über Druckereien wissen? Wir sind bestimmt gut; aber Buchdruck ist ja keine Geheimwissenschaft.«
»Hast du Lorenzo ...«
Sie gluckste. »Natürlich. Bellini war bei der Besprechung. Die edlen Herren haben darauf bestanden, daß Angelo die Druckerei vertritt. Frauen können ja keine Geschäfte führen. Dann haben sie aber mit mir geredet, nicht mit ihm, und Bellini hat stumm zugehört. Hinterher ist er mit uns zur Druckerei gegangen, um einen Wein zu trinken und ein paar Ratschläge zu geben.«
»Welcher Art?«
»Ich soll dir sagen, die meisten Musiker spielen falsche Töne. Verstehst du das? Ich nämlich nicht.«
»Ich verstehe das sogar sehr gut. Ich erkläre es dir gleich. Sonst noch etwas?«
»Zwei Namen. Priština und Sarmiento.«
»Darüber muß ich nachdenken.«
»Was hat es mit den Musikern auf sich?«
Ich versuchte, ihr mit möglichst knappen Worten die Zusammenhänge zu erklären; und ich fand es anstrengend, flüsternd zu lachen, was wegen der Albernheit der Hintergründe unvermeidlich war.
»Und Kassem?« sagte sie schließlich.
»Ist in Pristina.«
»Ah, deshalb. Wer oder was ist Sarmiento?«
»Ein spanischer Hauptmann. Der Herr von Castelnuovo.«
»Sag, ist Karim Abbas schon lange hier?«
»Ich habe ihn heute abend zum ersten Mal gesehen, vorher auch nichts von ihm gehört. Ich hatte schon überlegt, ob er mit euch hergekommen sein kann.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nachdem er diesem Franzosen das Genick gebrochen hat, haben sie ihn höflich, aber eindringlich zur Abreise bewegt.«
»Nun sag«, flüsterte ich, »warum du wirklich gekommen bist.«
»Vielleicht gibt es ein Geschäft für die Druckerei, vielleicht nicht, aber man muß es versuchen. Übrigens wollten sie vor allem Erz und Gewürze von uns kaufen.«
»Die sind knapp, das weiß ich. Und weiter? Deine Gründe?«
Sie richtete sich halb auf und stützte den Kopf auf die rechte Hand. »Ich wollte dich sehen.«
»Das ist tugendhaft und förderlich.« Ich rutschte ein wenig weiter zum Fußende des Betts, damit ich ihre Brüste mit der Zungenspitze erreichen konnte.
»Außerdem«, murmelte sie, »wollte ich sehen, ob es mir Vergnügen bereitet, bei eurem Spiel ein wenig mitzumachen.«
»Und?« Ich glitt weiter abwärts und vergrub die Zunge in ihrem Nabel.
Sie legte eine Hand auf meinen Kopf. »Es macht Vergnügen.« Dann seufzte sie. »Wenn die kleinere Kerze niedergebrannt ist, mußt du gehen, Liebster. Man darf uns, ah, dich nicht sehen, fürchte ich.«
Ich richtete mich auf, um nach der Kerze zu schauen. »Ein wenig Zeit bleibt uns noch. Du willst also mitspielen?«
»Dabei? Ein bißchen. Hierbei? Du bist so weit weg; gib mir etwas zum Spielen.«
VIERZEHN
Die Vorzüge der Flucht
I m großen Saal kämpften immer noch einige unermüdliche Trinker und Redner um jene Erschöpfung, die es ihnen erlauben würde, sich selbst zuzugeben, daß sie müde waren. Zwei Diener dösten im Stehen, an die Wand gelehnt. Ich schaute mich um, als hätte ich etwas vergessen oder wollte jemanden suchen, aber keiner achtete auf mich. An einem der Tische blieb ich einen Augenblick stehen, leerte einen halben Becher und schlenderte wie beiläufig zum Ausgang. Niemand in diesem Saal, in der Eingangshalle oder auf den Gängen schien einem der neugierigen Berufe anzugehören.
Als ich das Haus verließ, hatte ich das Gefühl, beobachtet zu werden. Ich sah mich um, konnte aber nichts entdecken, was dieses Gefühl ausgelöst haben mochte.
Der Nebel, in den Gebäuden fast vergessen, kroch immer noch zäh und klebrig durch die Straßen. Der Hall meiner Schritte durch die Straßen klang, als sei er in Tücher gewickelt – wenn man denn Hall einwickeln kann.
Um zur Straße nach Gruz und zu Valerio zu gelangen, mußte ich das Pile-Tor durchqueren; es sei denn, ich wollte einen langen Umweg machen. Zum Tor führen aus der Stadt einige Stufen hinauf. Außerhalb des Tores und ein wenig höher gibt es eine mächtige Mauer, die es Belagerern erschweren soll, das Tor unmittelbar anzugreifen. Eine Treppe führt zu einem Absatz in halber Höhe, von dort im rechten Winkel weiter zum eigentlichen Ausgang. Auf dem Absatz, unter einer knisternden Fackel, lehnten an der Wand zwei Männer.
»Der Mann mit der Fiedel«, sagte einer der beiden. Der andere löste sich von der Wand und trat mitten auf den Absatz. Sein linker Fuß schleifte.
»Zu spät für Musik«, sagte ich. Dabei
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