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Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Titel: Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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mißmutig. Sie hatten gehofft, daß der Maure scheitert.« Er hüstelte. »Außerdem sind sie neidisch. Er hat die Tochter des Kommandanten von Perasto geheiratet, gegen den Willen des Vaters, als der ein paar Tage fort war. Die schönste Frau an dieser Bucht – und er ist schwarz und häßlich!«
    Antonio schüttelte den Kopf. »Mauren sind nicht schwarz, mein Freund. Und häßlich? Ich fand ihn ganz ansehnlich.«
    Der Offizier hob die Schultern. »Wir sind gleich da«, sagte er. »Ich habe nichts gesagt, nicht wahr? Und das war nicht das, was ich meine, sondern was man so über ihn redet. Fest steht, daß er die groben Kerle gezähmt und mit ihnen die Türken an dem Hügel da aufgerieben hat.«
    »Und jetzt sollt Ihr uns zu ihm bringen, damit er entscheidet?«
    »So lautet der Befehl.«
    Ich blickte über die Schulter und sah, daß wir nur noch wenige Ruderschläge vom Ufer entfernt waren und eine kleine Mole ansteuerten. Ohne den Offizier anzusehen, sagte ich: »Wenn seine Entscheidung falsch ist, seid ihr ihn und uns los, nicht wahr? Und wenn sie richtig ist, hat es keine Bedeutung.«
    »So etwa.«
    Die meisten Häuser von La Bianca waren tatsächlich weiß; die Venezianer hatten den heimischen Namen Bijela wohl treffend übersetzt. Allerdings mochte es auch anders sein, dachte ich; vielleicht hatte der Ort ursprünglich einen griechischen oder illyrischen oder römischen Namen gehabt, und vielleicht hatte man ihn »das grüne Ufer« genannt, ehe die ersten Slawen oder Venezianer weiße Häuser bauten.
    Antonio und der Offizier redeten über Leute in Venedig, die sie entweder beide kannten oder von denen sie feststellen wollten, ob der andere mit ihnen vertraut war. Ich dachte über weiße Häuser und Namen nach und sah mich um. La Bianca hatte nach Nordwesten hin einen Sandstrand, dann kamen zwei Molen, die eine Art Hafen bildeten, in dem ein paar Fischerboote und zwei venezianische Barken lagen. Vom Ufer stieg das Land zuerst flach, dann – hinter dem Ort – steil an, und in der Ferne sah ich die hellen, kahlen Berge, die die verzweigte Bucht vom Hinterland trennten und für Angriffe von dort nahezu unzugänglich machten. Bei den Reisen im Norden, damals, mit Kassem und den anderen, hatte ich die steilen Förden der Küste Norwegens gesehen. Diese Bucht sah ganz ähnlich aus, aber zum Glück war es wärmer.
    Der Posten, den der Offizier losgeschickt hatte, kehrte zurück; ihm folgte at-Tahir. Als er uns erreichte, stutzte er kurz, dann setzte er ein schräges Lächeln auf.
    »Ach, du«, sagte er. Er wandte sich an den Offizier. »Was ist mit den beiden?«
    »Der Kapitän mag nicht entscheiden, ob sie zu den Spaniern gehen dürfen oder nicht. Nach Lage der Dinge an Land sollst du dich darum kümmern.«
    Der Maure nickte. »Und wenn es falsch war, ist der scheußliche Schwarze hinterher schuld, ja? Na gut. Du kannst gehen; ich übernehme.«
    Der Offizier neigte kurz den Kopf, stieg ins Boot und ließ ablegen.
    »Kommt mit.« Der Maure ging voraus, nach Nordwesten, zu einem größeren Haus, etwa eine Meile vom Ort entfernt. Über die Schulter sagte er, an Antonio gewandt: »Und wer seid Ihr, Herr?«
    »Einer der Dandolos, der aber getrost mit ›du‹ angeredet werden kann.«
    »Das macht den Umgang ein wenig leichter.«
    Vor dem Haus standen zwei stämmige Soldaten; sie schienen den Zugang zu hüten, den Weg nach Castelnuovo im Nordwesten zu bewachen – und die zwei Feldschlangen, die hinter einem niedrigen Erdwall standen.
    »Ihr müßt mit dem vorliebnehmen, was wir zu bieten haben«, sagte at-Tahir, als wir ins Haus traten. »Der frühere Besitzer ... ach was, der richtige Besitzer, der darauf wartet, daß wir wieder verschwinden, hielt nicht viel von überflüssiger Schwelgerei.«
    Wir kamen in ein wahrhaft karg eingerichtetes Zimmer; vor dem großen Fenster zur Bucht gab es eine kleine, überdachte Terrasse. Im Raum standen lediglich ein paar Stühle und zwei Tische, darauf Öllampen. Keine Teppiche, keine Gemälde, nichts an Kissen oder Decken oder bequemen Sitzen.
    »Habt ihr Hunger oder Durst?« At-Tahir deutete auf den größeren Tisch und die ihn umgebenden Stühle. »Wir müssen vermutlich länger reden; das erledigt man besser ohne Magenknurren.« Er klatschte mehrmals in die Hände; ein Bursche erschien von irgendwo.
    »Wein und Wasser«, sagte ich, »und vielleicht ein Stückchen Brot.«
    Antonio nickte; at-Tahirs Bursche verschwand und kam mit Bechern zurück, als wir uns kaum gesetzt

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