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Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Titel: Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Steinen und Balken. Vermutlich stammten sie aus einem der Abrißhäuser und sollten dazu dienen, die Festung auszubauen oder auszubessern.
    Vor einem der größeren Häuser an der Ostseite des Platzes stand ein Posten neben dem Mast mit der Regimentsfahne. Wir stiegen ab, banden die Pferde an Fenstergittern fest und sollten warten, aber der Mann, der uns hergeführt hatte, erschien schon nach wenigen Atemzügen wieder und befahl uns, ins Haus zu gehen.
    »Und du?« sagte ich.
    »Zurück an die Grenze.«
    »Besser als Steine schleppen.«
    Er grinste und marschierte davon. Wir betraten den Vorraum, wo uns ein weiterer Soldat mit einem Nicken begrüßte und durch einen Gang zu einem großen Raum führte. In der Tür blieb er stehen, legte die rechte Hand auf die Brust und sagte: »Mi capitán! Los venecianos.«
    An einem Schreibtisch vor dem Fenster saß ein Mann in Hemdsärmeln; zwei weitere – Schreiber – blickten von kleineren Tischen auf.
    »Was liegt an?« sagte der Mann, den der Soldat als Hauptmann angeredet hatte. Er würdigte uns allerdings keines Blicks, sondern beschäftigte sich weiter mit irgendwelchen Listen.
    »Ich bin begeistert«, sagte ich.
    »Wieso?« Nun endlich hob er den Blick.
    »Ich habe noch nie einen Hidalgo in Hemdsärmeln gesehen.«
    »Ihr sprecht gut – für einen Venezianer.« Er stand auf und kam uns ein paar Schritte entgegen.
    »Er ist Venezianer – Don Antonio Dandolo, aus jener edlen Familie.« Ich legte eine Hand auf Antonios Schulter. »Ich bin ein deutscher Untertan Eures Königs, der mein Kaiser ist.«
    »Und was wollt Ihr hier in Castillo Nuevo?«
    »Wir wollen es schnell verlassen.«
    Er nickte und gab einem der Schreiber ein Zeichen. Der Mann stand auf, verschwand hinter einem Gestell in der Ecke des Raums, kam mit dem Uniformrock des Hauptmanns zurück und half ihm, diesen anzuziehen.
    »Wenn es amtlich wird ...« Der Offizier deutete ein spärliches Lächeln an.
    Antonio räusperte sich. »Wer seid Ihr, Herr? Der Kommandant?«
    »Ich bin Sancho de Frías, Hauptmann. Der Maestre de Campo, Don Francisco Sarmiento de Mendoza y Manuel, ist in der Burg. Noch einmal: Was wollt Ihr – señores ?«
    »Mach du das«, sagte Antonio. »Mein Spanisch ist ärmlich.«
    »Wir haben Ragusa verlassen und sind auf dem Weg nach Pristina«, sagte ich. »Don Antonio hat einen ferman, den er Euch natürlich gern zeigen wird. Wir wollen nichts als Eure Erlaubnis, die Stadt zu durchqueren und zu verlassen.«
    Frias hob die Schultern. »Euer ferman mag Euch bei Türken helfen; mich kümmert er nicht.«
    »Was kümmert Euch denn?«
    »Nichts. Ob Ihr weiterreisen könnt oder als Spione aufgehängt werdet, entscheidet der Maestre del Campo. Ich werde ihn am Abend sehen; vielleicht will er Euch selbst befragen.«
    »Was tun wir bis dahin?«
    »Sucht Euch Unterkunft in einem der leeren Häuser am Hafen. Morgen früh« – er entblößte die Zähne in einem freudlosen Lächeln – »kommt entweder ein Bursche zu Euch, der Euch sagt, daß Ihr reisen könnt. Oder eine Wache, um Euch zu holen. Und versucht nicht zu fliehen; die Posten werden schießen.«
    Ich legte die Hand an den Degengriff. »Capitán, von edlen Spaniern und meinen alten Waffenbrüdern hätte ich bessere Behandlung erwartet.«
    »Das mag so sein. Erzählt mir von der Waffenbruderschaft; vielleicht ...« Er sprach nicht weiter.
    »Wien, vor neun Jahren«, sagte ich. »Und später war ich Gast im Haus des Vizekönigs von Navarra – Graf Alcaudete.«
    »Wien?« Frías schien zu überlegen. »Ein paar von den Arkebusieren waren dabei. Wir werden sehen.«

SECHZEHN
Ferman, Pfeil und Bogen
    D ie meisten Bewohner mochten geflohen sein, aber als wir unsere Pferde zum Hafen hinunterführten, sahen wir doch die ersten Einheimischen. Sie schienen ihrem gewöhnlichen Tagewerk nachzugehen, und abgesehen von einigen Seitenblicken kümmerten sie sich nicht um uns.
    In den Straßen östlich des Hafens waren einige Häuser leer. Für ein paar Münzen brachte uns ein Junge zu einem Gebäude mit Innenhof, offenbar einem Gasthaus, dessen Besitzer die Stadt verlassen hatte. Im kleinen Stall fanden wir sogar Stroh und Hafer. Wir sattelten die Pferde ab, schöpften Wasser aus dem Brunnen im Hof, versorgten die Tiere und brachten unsere Sachen in ein helles, geräumiges Zimmer.
    »Essen, trinken – und wir müssen reden«, sagte ich.
    Antonio kniete auf dem Boden und untersuchte Matten und Kissen. Er rümpfte die Nase. »Keine Schwelgerei«, knurrte er,

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