Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)
einfach zu töten. Auch erbeutete Sättel und Zaumzeug gab es reichlich.
Wir kauften vier Tiere – zwei zum Reiten, eines als Packtier, eines für alle Fälle. Falls eines der anderen sich als untauglich herausstellte, falls wir in den Bergen eines verloren, falls wir jemanden mit einem guten Pferd bestechen mußten ...
Als wir wieder bei dem kargen Haus waren, pfiff Otero. Aus einem Schuppen hinter Sträuchern kamen zwei Soldaten. Sie liefen nicht, sie schlenderten auch nicht; sie bewegten sich wie Raubtiere, die wissen, wer sie gezähmt hat. Und daß ihm zu gehorchen ist.
»Jannis.« Der rechte der beiden Männer richtete sich stramm auf. »Bring die beiden zu den Spaniern. Sag den Posten dort, Otero läßt grüßen, und sie sollen sie gut behandeln.«
»Danke«, sagte ich. Leiser setzte ich hinzu: »Ich hätte noch ein paar Fragen an dich, Bruder; aber das muß warten.«
Wir ritten die alte Straße am Ufer der Bucht nach Nordwesten. Der Soldat, ein Grieche, verstand offenbar genug Italienisch, um Befehle von Otero zu befolgen, aber nicht genug für ein Gespräch. Es war inzwischen früher Nachmittag. Bis zu der Stelle, wo die Spanier Posten aufgestellt hatten, brauchten wir etwa eine Stunde.
Sie hatten die Straße mit einer Art Verhau gesperrt: Holz, Draht, Stacheln – und die Mündung eines leichten Feldgeschützes. Zwei Männer kamen aus einer Hütte, als Jannis irgend etwas brüllte. Während er mit Händen, Füßen und Wortfetzen aus mindestens vier Sprachen Oteros Grüße auszurichten versuchte, betrachtete ich die Spanier. Sie waren nachlässig gekleidet, von der Sonne verbrannt, stoppelbärtig; einer hielt einen blanken Degen in der Hand, der andere eine Pike.
»Sehen eher wie Wegelagerer aus«, murmelte Antonio.
»Sie sehen aus wie die siebenhundert, ohne die Wien an die Türken gefallen wäre«, sagte ich halblaut. »Wenn das ganze Regiment so ist, wundert es mich nicht mehr, daß sie Castelnuovo nehmen konnten.«
Offenbar hatte Jannis das Gefühl, sein Auftrag sei erledigt. Er grinste uns an und ging, ohne noch etwas zu sagen.
»He, Venezianer«, sagte einer der Spanier. »Was hat der Affe da gesagt? Kein Wort verstanden.« Sein Italienisch war herb, aber verständlich.
»Compañeros«, sagte ich auf spanisch, »er hat von Otero den Befehl erhalten, uns zu euch zu bringen und euch zu sagen, ihr sollt uns gut behandeln.«
»El moro Otero?« Die Spanier sahen einander an; dann nickte der, der mit uns gesprochen hatte. »Wenn Otero das sagt ... Kommt mit.«
Das alte Kloster rechts der Straße wirkte verlassen; ich verzichtete auf Fragen nach den Beziehungen zwischen katholischen Kämpfern und orthodoxen Mönchen. Die Häuser vor der Stadtmauer schienen ebenfalls verödet; hier und da lugte jemand aus einer Tür- oder Fensteröffnung, zog den Kopf aber schnell wieder zurück. Im Hafen lagen Fischerboote und zwei kleine Segler, Frachtschiffe, soweit ich es beurteilen konnte.
Einer der Posten war am Verhau zurückgeblieben, der andere führte uns eine langsam ansteigende Straße hinauf zum Platz vor einer Kirche. Ich wollte Fragen stellen, aber der Soldat schüttelte den Kopf.
»Schön, daß du Spanisch sprichst«, sagte er. »Aber von mir erfährst du nichts, bis nicht der Hauptmann gesagt hat, was mit euch geschehen soll.«
Je näher wir dem Platz kamen, desto belebter wurde der Ort. Aber wir sahen nur Männer, und nach den wenigen Wörtern, die wir im Vorbeigehen hörten, handelte es sich ausschließlich um Spanier.
»Ob die anderen alle geflohen sind?« sagte Antonio.
»Wahrscheinlich. Und die, die es nicht geschafft haben, dürfen für die neuen Herren arbeiten.«
Die meisten Männer waren unbewaffnet; nur wenige liefen in der gewöhnlichen Rüstung der tercios der spanischen Infanterie herum. Die übrigen waren mit Bauarbeiten beschäftigt – wenn man das so nennen will. In der Ortsmitte waren die Häuser unbeschädigt; aus einigen stieg Rauch auf, und es roch nach Essen. Weiter am Ortsrand, den wir hinter uns gelassen hatten, waren die Häuser zerstört, oder sie wurden gerade abgerissen.
»Befestigung«, sagte ich. »Irgendwann greifen die Türken an, und dann ...«
Ich sah ein schattiges Lächeln um den Mund des Spaniers, der uns weiterhin wortlos geleitete.
Die eigentliche Festung lag jedoch oberhalb des Orts. Eine schmale Straße, die am Platz vor der Kirche begann, führte hinauf, und als wir den Platz erreichten, verließ ihn eben ein von zwei Pferden gezogener Karren mit
Weitere Kostenlose Bücher