Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)
dabei, den Mongolen mitzunehmen.
Er hätte bleiben können. Das spanische tercio wurde verstärkt von ein paar Griechen: einer Kompanie Infanterie und einer Reiterschwadron. Wahrscheinlich hätten sie auch Belgutai aufgenommen. Andererseits – er war Moslem, für sie also Heide. Vielleicht sollte er doch besser nicht bleiben. Er hatte Geld und Pferd und Teile der sonstigen Ausrüstung verloren; genauer gesagt, all dies war nun in Händen der Spanier. Selbst wenn er Geld gehabt hätte, hätten sie ihm kein Pferd verkauft. Pferde waren hier knapp, und nach Lage der Dinge und angesichts der Schwierigkeiten des Nachschubs würden sie später vielleicht als Proviant dienen müssen.
Morgens kamen zwei Soldaten zu uns, ein Fähnrich namens Juan Milló und ein Sergeant, Esteban Salazar. Wir hatten im Innenhof zusammen mit Belgutai Wasser und altes Brot gefrühstückt und seitdem gewartet.
»Señores «, sagte der alférez, nachdem er sich und den sargento vorgestellt hatte. »Capitán Frías schickt uns, um alles weitere zu besprechen. Ich würde gern den ferman sehen, und während ich ihn prüfe, wird Salazar Euch ein paar Fragen stellen, señor , eh, Jakko.«
Antonio gab dem Fähnrich den gefalteten ferman . Offenbar las der Offizier Italienisch, wenn nicht gar Türkisch; das Dokument war in beiden Sprachen abgefaßt.
»Frag, compañero «, sagte ich zu Salazar.
Der Sergeant war ein paar Jahre älter als ich, knapp über vierzig. Er nahm die vertrauliche Anrede zur Kenntnis, ohne eine Miene zu verziehen.
»Wien«, sagte er. »Es heißt, Ihr wart da. Wo?«
»Unter alten Waffenbrüdern keine Höflichkeiten – von mir aus jedenfalls«, sagte ich. »Meistens war ich in dem Abschnitt rechts von euch. Rechts vom Kärntnertor.«
»Was habt Ihr getan?«
»Gekämpft. Von der Mauer aus und vor dem Tor. Und ich war einer von denen, die Stollen in die Unterwelt getrieben und auch dort gekämpft haben.«
Zum ersten Mal zeigte sein Gesicht eine Regung. »Die Hölle?« sagte er. »Wie kommt es, daß ich mich nicht an Euch erinnere?«
»Bruder, wir waren so viele. Tausende. Da kann man nicht jeden sehen oder wiedererkennen. Ich habe aber mit einigen eurer Anführer gesprochen. Zamora. Und diesem Franzosen, der bei euch war, Castelbajac.«
»Ist Euch an Zamora etwas aufgefallen?«
Ich lachte. »Die Eisenhand, meinst du das? Laß mich aber eine Gegenfrage stellen. Nach dem Ende seid ihr abmarschiert, zuerst nach Deutschland, und dann habt ihr euch geteilt. Warst du bei denen, die nach Italien gegangen sind?«
Er nickte. »Ja, compañero «, sagte er. »In die Lombardei, danach hier und da, dann wieder da oben. Ich war im tercio de Lombardia, bis dieses neue tercio aufgestellt wurde.«
Milló faltete den ferman und gab ihn Antonio zurück. »Der Reisebrief ist in Ordnung«, sagte er. »Und nach dem, was ich nebenher gehört habe, war der Deutsche wirklich in Wien?«
Salazar nickte. »Ein Waffenbruder aus heroischen Tagen.« Dabei lächelte er mich an.
Der Fähnrich hob die Schultern. »Nun denn. Ihr könnt reisen. Salazar wird Euch zum Tor begleiten und dafür sorgen, daß man Euch nicht behindert.«
»Können wir ihn hier mitnehmen?« Ich wies auf Belgutai, der vor dem Stall stand und schnüffelte, als sei der Geruch von Pferdeäpfeln eine unvergleichliche Köstlichkeit.
»Den da?« Milló runzelte die Stirn. »Was wollt Ihr mit ihm?«
»Er kennt die Wege«, sagte ich. »Und er spricht ein wenig Türkisch. Das könnte nützlich sein; wir sprechen nichts davon.«
»Nehmt ihn mit. Wir müßten ihn entweder füttern oder hinrichten.«
Tatsächlich waren dies meine wichtigsten Gründe. Ich empfand eine gewisse instinktive Sympathie für Belgutai, was mich aber nicht allein bewogen hätte, ihn mitzunehmen. Wer die Mühseligen und Beladenen um sich sammelt, häuft vielleicht Schätze im Jenseits an, kommt aber im Diesseits nicht weit. Belgutais Sprachkenntnisse, die Tatsache, daß er die Straßen nach Priština kannte, daß er möglicherweise den einen oder anderen türkischen Offizier zu etwas bewegen konnte, was dieser sonst nicht getan hätte, zählten mehr.
Allerdings fragte ich mich, was die Türken sagen würden, wenn einer, der zu ihren Reitertruppen gehört hatte, nun plötzlich als Diener und Begleiter eines venezianischen Edelmanns und seines deutschen Pferdeburschen auftauchte. Denn dies war natürlich die vom ferman bestimmte Rangfolge. Ich versuchte, mit Belgutai über die Frage zu reden, aber entweder
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