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Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Titel: Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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ihnen, so jedenfalls Belgutai, um Verwandte der Türken. Sie bekannten sich zur überlieferten mongolischen Kriegstüchtigkeit und zu Allah. Ihr Teilreich, im Abendland bekannt als das Land der Goldenen Horde – eine falsche Übersetzung von Altyn Ordu, Goldenes Zeltlager, wie ich von Belgutai wußte – mit der großen und reichen Hauptstadt Sarai, war von Timur, den wir auch Tamerlan nennen, zerstört worden und in mehrere neue Fürstentümer zerfallen. Der Khan, zu dessen Untertan Belgutais Großvater wurde, lebte in der Stadt Astrachan. Nach geziemender Zeit nahm jener, der noch nicht Großvater war, eine Frau, um irgendwann Großvater zu sein. Er züchtete Vieh und Pferde in der Steppe und übergab später die Tiere und den sonstigen Besitz seinem Sohn, der die Herde vergrößerte, eine Frau fand und mit ihr sieben Kinder zeugte, darunter als drittes Belgutai.
    »Schön und gut, aber wie kommt er nach Castelnuovo?«
    »Auf langen und verwickelten Wegen. Viel erben konnte er nicht, als dritter Sohn, also ist er in die Stadt gegangen, hat dies und das getan, um zu überleben, und weil er wißbegierig war, hat er viel gelesen und gelernt. Danach wollte er lieber reiten und reisen. Wie wir wissen, kann man dies am besten als Händler oder als Krieger.«
    »Ach, wie wahr und wie traurig«, sagte Goran. »Und weil man nicht Händler werden kann, wenn man kein Geld hat, ist er eben Krieger geworden, nicht wahr?«
    »So ist es. Irgendwann – die Einzelheiten hat er mir erzählt, aber ich habe sie glückhaft vergessen – kam er so zu den Türken, zu einer der zahlreichen Reitertruppen aus Angehörigen unterworfener Völker. Am Schluß ist er einer von zwanzig Reitern gewesen, die zur Besatzung von Herceg Novi gehörten.«
    Goran nickte, beinahe feierlich. »Ich kenne solche Geschichten; die meisten enden furchtbar, indem einer entweder auf dem Schlachtfeld stirbt oder bei lebendigem Leibe geheiratet wird. Ein Vetter von mir, zum Beispiel ...«
    Er erzählte mir eine lange und einigermaßen undurchsichtige Geschichte über einen Kroaten, Fischer, der als Matrose auf einem Handelsschiff aus Dubrovnik nach England gelangt war, eine Weile im Hafen von London arbeitete, dann zu einer anderen Hafenstadt wanderte, um etwas Neues zu sehen, auf dem Weg dorthin die Tochter eines Schäfers traf, sich in ihre Schafe verliebte, über und über wollig wurde und schließlich als Kroate im Schafspelz heimkehrte, reich an Lügengeschichten, arm an Geld und mit, wie Goran sagte, weitgehend verwester Gesundheit.
    »Aber wieso spielt er am Strand herum? Warum ist er nicht mit den anderen geflohen oder gefallen?«
    »Als die Spanier gelandet sind, war er gerade krank. Ein böses Fieber. Er hat sich mühsam aufgerafft und seine Kleidung, Pfeil und Bogen zusammengesucht, und als er so weit war, hatten die Spanier die Stadt schon in der Hand und waren dabei, die Burg zu erobern.«
    »Ich ahne etwas«, sagte Goran. »Er konnte weder kämpfen noch fliehen, also hat er so getan, als ob er nicht dazugehört. Aber wie geht das, in einer umkämpften Stadt?«
    »Da du etwas ahnst, ahne doch einfach weiter. Was hättest du an seiner Stelle getan?«
    Goran überlegte einen Moment; dann sagte er: »Ich hätte wahrscheinlich kaum ein Wort verstanden, aber so gut es geht behauptet, ich wäre ein harmloser Reisender, von den Türken ausgeplündert, oder ein zufällig herumlungernder Gesandter des Herrn von, wie heißt die Stadt? Astrachan?«
    »Genau das hat er getan. Gesagt, er sei ein Reisender mit besonderem Auftrag, auf der Suche nach Bundesgenossen für seinen Fürsten. Und natürlich sehr wichtig und von altem Adel. Und in dem Durcheinander sei ihm alles abhanden gekommen, außer den Waffen.«
    »Und? Haben die Spanier ihm das geglaubt?«
    »Ich glaube, sie hatten sich noch nicht entschieden.«
    Goran lächelte. »Hast du ihnen bei der Entscheidung dann geholfen?«
    »Ein wenig.«
    »O Jakko. Mir hast du viel zuviel für das Boot und die kleine Fahrt bezahlt, und dann nimmst du dich eines Fremden mit geschlitzten Augen an? Hast du dir etwa davon etwas versprochen? Dumm genug wärst du ja.«
    »Immerhin habe ich genug Verstand, um zuweilen meinen Gefühlen zu trauen.«

SIEBZEHN
Kassem ben Abdullah
    A ntonio war nicht einverstanden; es war aber eher ein Grummeln denn begründeter Widerspruch. Vielleicht eine Art Eifersucht, sagte ich mir. Natürlich wollte ich ihn nicht verletzen, aber da er nichts gegen meine Gründe vorbringen konnte, blieb ich

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