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Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Titel: Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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verstand er mich nicht oder wußte keine Antwort. Oder er hielt die Frage für belanglos, weil er einfach nur überleben und aus dem spanischen Brückenkopf entkommen wollte.
    Es gab mehrere Möglichkeiten, von Castelnuovo nach Pristina zu gelangen, und alle waren gleichermaßen unerfreulich. Zwei von ihnen verhießen halbwegs gangbare Wege, zum Teil sogar breite Straßen, waren aber mit weiten Umwegen verbunden: nach Norden, ins Hinterland von Ragusa, von dort nach Osten, oder weit nach Süden, in venezianisches Gebiet, und von dort über Podgorica weiter zum Amselfeld. Beide schieden für uns aus; nach einigem Bereden und Erwägen gab Antonio mir recht.
    »Ragusa könnte gefährlich sein«, sagte er. »Wenn sie dich wirklich suchen, wegen Mehmet, werden sie dich auch im Hinterland suchen. Aber was spricht gegen den Weg nach Süden?«
    »Zu weit«, sagte ich. »Der Winter hat schon begonnen, und bis wir Podgorica erreichen, kann es längst zu spät sein für die Berge.«
    Belgutai wies nach Osten. »Hügel«, sagte er.
    »Die gibt’s hier überall. Ich hätte gern ein bißchen Flachland, das wird aber nicht angeboten. Was meinst du mit Hügel?«
    »Fuß von Burg«, sagte der Mongole, »dann weiter.«
    Salazar kaute auf der Unterlippe. »Die Straße nach Trebinje? Nach ein paar Meilen gibt’s da einen Weg, der rechts in die Berge geht«, sagte er. »Ich weiß aber nicht, ob ich den gehen möchte. Nicht mal reiten.«
    »Kennst du die Strecke?« sagte Antonio.
    Belgutai nickte. »Selbst gekommen, mit Reiter etwa. Weg manchmal wie Finger« – er hob den Daumen –, »dann wie Finger.« Diesmal spreizte er den kleinen Finger ab.
    »In den Bergen gibt’s Räuber«, sagte Salazar.
    »Ich weiß nicht.« Ich betrachtete die gesattelten Pferde, die ungeduldig wirkten. »Wenn er die Strecke kennt ... Und Räuber gibt’s doch eher da, wo Händler durchziehen, oder? Also an den breiten Straßen. Was soll ein einsamer Räuber im einsamen Gebirge? Steinböcke striegeln?«
    Antonio lachte. »Aufwendiger Zeitvertreib.«
    »Nix Rotbärte«, sagte Belgutai. Zumindest die Erwähnung von Räubern hatte er verstanden; was das Striegeln betraf, hatte ich Zweifel. »Weg zu leer.«
    »Ihr müßt es wissen.« Salazar, der neben uns gehockt hatte, stand auf. »Wollt ihr oder habt ihr noch was zu erledigen?«
    »Brot und Fleisch kaufen«, sagte Antonio.

    Die Burg, an der zahllose Männer mit Ausbesserungsarbeiten beschäftigt waren, ragte über dem Beginn der Straße nach Trebinje auf. Ich fragte mich, wie es den Spaniern gelungen sein mochte, diese Festung zu nehmen.
    »Blut, vieles«, sagte Belgutai, als ich ihn fragte.
    »Denk ich mir.« Antonio stellte sich in den Steigbügeln auf und drehte sich um. »Sechs Kanonen«, sagte er, als er sich wieder gesetzt hatte. »Für diese Seite, meine ich. Ein bißchen Nägel und gehacktes Blei, dann kommt niemand hier durch.«
    »Mal sehen, wo die Türken sind.«
    »Weit«, sagte Belgutai. »Vielleicht Kundschafter, mehr nicht.«
    Wie sich herausstellte, gab es ein paar Meilen entfernt, am Rand des kleinen Orts Kameno, einen kaum befestigten türkischen Posten; zehn Männer schienen ihn besetzt zu halten, falls nicht noch mehr außer Sicht irgendwo lagerten, aber ich zählte nur zwölf Pferde auf der eingezäunten Weide. Der Ort selbst war verlassen.
    Wir hatten abzusteigen; Antonio zeigte seinen ferman . Die Türken bestaunten ihn gebührend, fragten in schlechtem Kroatisch nach Neuigkeiten und wünschten uns »gut Reiten und heile Knochen«.
    Die Straße nach Trebinje verlief nach Norden; sie war nicht besonders breit, aber hier gab es sicher alle paar Meilen türkische Wachtstationen, und zweifellos würde im nächsten Jahr ein Teil des Heeres zur Rückeroberung von Herceg Novi hier entlangkommen. Am nördlichen Ortsrand zweigte nach rechts ein kleiner Weg ab, in die Berge; er war wirklich sehr schmal und wand sich wie eine verärgerte Schlange.
    Wir brauchten dreißig Tage, um Pristina zu erreichen. Manchmal waren wir froh, wenn es uns gelang, drei oder vier Meilen an einem Tag zurückzulegen, auf Wegen, die kaum breiter waren als ein Ziegenpfad. Oft mußten wir zu Fuß gehen und die Pferde am Zügel hinter uns herziehen, über Grate, von denen es zu beiden Seiten viele hundert Schritte fast senkrecht hinabging, über Geröllfelder, durch schmale Täler voll herabgestürzter Felsbrocken, wo der Weg unausgesetzt die Richtung änderte, und über karstige Hochflächen, auf denen der nächste

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