Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)
erfreulichen Abschluß bringen möchte. Mehr nicht.«
Ich schwieg, bis der Schreiber mit Brot, Wein und Bechern zurückgekommen war. Belgutai betrachtete die überfüllten Regale, nahm einen Becher und ein Stück Brot und wartete darauf, daß einer von uns den ersten Schluck tat.
»Trinkt«, sagte Bellini, »eßt. Die Antworten werden durch Fasten nicht besser.«
»Seltsam«, sagte ich, nachdem ich getrunken hatte. »Meister Nikola, wenn er das geschrieben hat, hat er etwas geschrieben, was nicht stimmt und wovon er nichts wissen konnte.«
»Wo bist du gewesen? Warum kann Meister Nikola das nicht wissen? Was hast du gesehen, was ich wissen sollte? Und was willst du wegen des Briefs und wegen Laura unternehmen?«
Belgutai lachte und hob den Daumen. »Italisch ärmlich, aber versteh«, sagte er. »Zwei Fragen du, vier Fragen er, wie gesagen.«
»Was meint er?«
»Ich habe ihm gesagt, daß du auf zwei Fragen mit vier Gegenfragen antworten wirst. Er hat mitgezählt.«
»Kann er Kroatisch?«
»Besser, aber laß uns das ruhig so bereden. Ich war in Pristina, Kassem ist tot, die Türken bereiten die Rückeroberung von Castelnuovo vor, und was hörst du aus Ragusa?«
Ich weiß nicht, wieviel Belgutai vom folgenden Austausch verstand. Er saß, trank, knabberte an venezianischem Würzbrot und hielt meistens die Augen geschlossen.
Bellini versicherte mir, die Mitteilung über den französischen Priester habe viele venezianische Schiffe und Leben gerettet; insofern sei meine Arbeit als Spion sinnvoll gewesen. Er füllte einige Lücken in meinen Kenntnissen, was den Verlauf des erstickten Kriegs und der abgebrochenen Seeschlacht anging, und faßte zusammen, was in den vergangenen Monaten in Venedig und auf dem Festland geschehen war.
»Kurz gesagt also«, schloß er, »der gewöhnliche Wahnsinn der Herrschenden. Jedenfalls bei uns; was die Türken machen, erscheint mir höchst vernünftig.«
Nach der Eroberung von Castelnuovo hatte Venedig verlangt, der Kaiser möge die Stadt und damit den Rest der Bucht den Venezianern übergeben. Als Karl sich weigerte, verließ Venedig die Heilige Liga und begann Friedensgespräche mit Konstantinopel. Der Kaiser hatte vier weitere tercios bereitgestellt, an die dreizehntausend Mann, die den Brückenkopf ausbauen und Sarmientos Regiment verstärken sollten; inzwischen brauchte er sie anderswo, so daß es bei dem einen tercio blieb. Venedig weigerte sich natürlich, die Spanier mit Nachschub und Nahrungsmitteln zu versorgen, und des Kaisers Flotte unter Andrea Doria wurde gegen Frankreich benötigt, konnte also auch keinen Nachschub liefern. Die Osmanen bereiteten mit der nötigen Gründlichkeit die Rückeroberung der Festung vor. Und Venedig hatte einen neuen Dogen.
»Was ist mit dir und dem neuen?«
Bellini rümpfte die Nase. »Er wartet noch ab.«
Ich berichtete von Ragusa, von Katona und Meister Nikola, dem Auftauchen von Karim Abbas, meiner Flucht, der Lage an der Bucht von Cattaro, der Reise nach Pristina, Kassems Tod, dem Kampf mit Karim und allem übrigen.
Danach rätselten wir an dem Brief herum, an Beweggründen, an möglichen Absichten, kamen jedoch nicht besonders weit. Bellini sagte, seit Lauras Abreise habe er keine wesentlichen Meldungen aus Ragusa erhalten, könne also nicht einmal sagen, ob sie dort angekommen sei.
»Hör zu«, sagte ich schließlich. »Das ist alles so seltsam ... Die brauchen wirklich keine venezianische Druckerei da, das können sie alles selbst in Gang setzen. Ich weiß nicht, was Nikola oder sonst jemand von Laura will. Und weil ich es nicht weiß und mir auch nichts Sinnvolles vorstellen kann, fürchte ich, es handelt sich um eine Tücke, eine Falle – aber wozu?«
Bellini blickte zu Belgutai hinüber, der leise schnarchte. »In vier Tagen geht ein Schiff. Willst du ...?«
»Ich will. Was ist es – Händler oder Staat?«
Er setzte ein schräges Lächeln auf. »Beides, könnte man sagen. Was machst du mit dem da?«
»Das muß ich mit ihm bereden. Er will ein wenig vom Westen sehen; ich weiß nicht, ob Venedig ihm westlich genug ist.«
»Gut.« Bellini stand auf. »Ich muß zum Rat; deswegen ... Oder haben wir noch etwas zu besprechen?«
»Wenn mir etwas einfällt, komme ich vor der Abfahrt noch einmal vorbei.«
»Das solltest du sowieso. Ich muß dich mit dem Kapitän bekannt machen.«
Ich weckte Belgutai, der behauptete, gar nicht geschlafen zu haben. Zunächst gingen wir zurück zur Druckerei. Angelo war inzwischen
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