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Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Titel: Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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blöder Ehrenmann, hat geschwiegen, weil er am hellichten Tag alles selbst nicht glauben mochte.«
    »So ähnlich«, sagte ich. »Er hat sich dann im Kerker umgebracht. Inzwischen hat aber die Frau des Fähnrichs geplaudert, deshalb weiß man, was wirklich geschehen ist, und der Fähnrich ist zur Aburteilung nach Venedig gebracht worden.«
    Goran schwieg einen Moment; dann sagte er: »So, wie du zuletzt geredet hast, gibt’s da aber noch etwas, oder?«
    »Kluger und scharfohriger Mann! Es ist noch von dem Hauptmann zu berichten, der gewissermaßen neuerdings zu deinen Verwandten gehört.«
    »Mein Verwandter?« Goran hob beide Hände und spreizte die Finger. »Weiche von mir! Ich mag nicht mit Venezianern verwandt sein. Und wieso überhaupt?«
    »Der Fähnrich hat ihn ja überfallen und verwundet, und zwar am Bein. Die Wunde hat sich entzündet; man hat dem Hauptmann das Bein unterhalb des Knies abnehmen müssen, und jetzt hat er ein Holzbein.«
    Goran drehte sich so, daß er das Holzbein auf den Stuhl neben seinem Bein legen konnte. Er betrachtete es wie einen Fremdkörper – ein ekelhaftes, unbekanntes Tier, das sich irgendwie im Haus eingenistet hat. Dann blickte er auf, sah mich an und grinste. »Wo Holzbeine gehobelt werden, kriegen auch Venezianer schon mal einen Splitter ins Auge. Es ist aber eine blöde Geschichte, und um sie richtig zu erzählen, mußt du noch an ein paar Einzelheiten arbeiten.«
    »Das überlasse ich anderen, die das besser können.«

EINUNDZWANZIG
Zurück ins Labyrinth
    U ngünstige Winde und Frühjahrsstürme hielten uns auf. Zwei Tage trieben wir vor der Einfahrt zur Bucht von Kotor und sahen die türkischen Schiffe, die Nachschub für die Spanier unterbinden, aber wohl noch nicht nach Castelnuovo greifen sollten. Sie hielten sich außerhalb der Schußweite spanischer Kanonen, beobachtet von den Besatzungen einiger venezianischen Galeeren, die wiederum im Schutz ihrer am Südufer der Bucht in Stellung gebrachten Kanonen blieben.
    Erst am achten April erreichten wir Venedig. Nach dem Ausschiffen begaben Belgutai und ich uns zuerst zur Druckerei. Angelo, der Meister, war nicht da; der Setzer Claudio hatte solange die Aufsicht; und er hatte eine Nachricht, die mich zunächst verblüffte, dann entsetzte.
    »Die Herrin ist vor siebzehn« – er überlegte –, »nein, achtzehn Tagen nach Ragusa abgereist, um dich dort zu treffen.«
    »Ich weiß nichts davon«, sagte ich.
    Claudio blickte ein wenig erstaunt drein. »Aber es gab doch einen Brief.«
    »Von mir?«
    Er überlegte wieder. »Angelo weiß vielleicht mehr«, sagte er zögernd, »aber ich glaube, er war von einem der Handelsherren in Ragusa, und es standen Grüße und Vorschläge von dir darin.«
    »Wann ist Angelo wieder da?«
    »Irgendwann vor Sonnenuntergang; er hatte etwas auszuliefern.«
    »Sind die Zimmer oben benutzbar?«
    Claudio wackelte mit dem Kopf. »Ich kümmere mich darum.«
    Wir ließen unsere Sachen in der Druckerei. Es war früher Nachmittag; nach kurzem Bedenken beschloß ich, Lorenzo Bellini aufzusuchen. Belgutai hatte die Seefahrt schadlos überstanden, war jedoch nicht traurig, wieder festen Boden betreten zu können.
    »Mitkommen«, sagte ich. »Wir werden einen Mann besuchen, der vielleicht zwei Fragen beantworten kann und dafür vier neue Fragen stellen wird. Danach – essen?«
    Belgutai murmelte etwas über die Vorzüge von Nahrungsmitteln, die man nicht immer wieder von Planken aufsammeln muß.
    Bellini war in seiner Schreibstube – eher ein Saal voller Bücher, Rollen und Dokumente. Er begrüßte mich beinahe herzlich und musterte Belgutai neugierig.
    »Mongole?« sagte er, nachdem ich die beiden einander vorgestellt hatte. »Mein erster Mongole ... Ich nehme an, es gibt eine längere Geschichte zu erzählen. Setzt euch. Wein?«
    »Und vielleicht ein Stück Brot«, sagte ich. »Die längere Geschichte muß warten. Zuerst eine kurze Frage.«
    Bellini hob die Hand, schickte einen seiner Schreiber los, um Brot und Wein zu beschaffen, und räusperte sich dann. »Ich weiß nicht viel.«
    »Was ist mit Laura? Hat sie ...?«
    »Sie hat. Ein Brief aus Ragusa; sie hat ihn mir gezeigt. Ich fand, sie solle nicht reisen, aber ...« Er hob die Schultern.
    »Was stand in dem Brief? Und von wem war er?«
    »Meister Nikola. Die üblichen Höflichkeiten, dann die Mitteilung, daß man dich innerhalb der nächsten zwei oder drei Tage erwartet, daß du Laura zu sehen hoffst, daß man gewisse Geschäfte zu einem für alle

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