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Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)

Titel: Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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zustande gebracht.
    Bekim trug eine Lanze, an deren Spitze ein weißes Tuch im Abendwind flatterte. Von der Mauerkrone aus wurden wir angerufen.
    »Wer seid ihr? Was wollt ihr?«
    »Eine Botschaft für Don Francisco«, rief ich hinauf. »Vom Herrn der türkischen Streitkräfte.«
    »Wartet.«
    Wir stiegen ab und warteten. Ich sah der Sonne zu, wie sie weiter gen Westen wanderte und allmählich hinter der Mauer verschwand. Ich hatte das Gefühl, sie zögerte.
    Schließlich öffnete sich das Tor einen Spalt weit. Fähnrich Milló kam heraus, musterte mich, nickte, drehte sich um und sagte: »Er ist es, mi capitán .«
    Francisco Sarmiento de Mendoza y Manuel kam aus dem Tor. Er trug die gewöhnliche Uniform eines Hauptmanns; ich konnte nichts entdecken, was auf seinen Rang als Maestre de Campo hinwies, hatte aber keinen Zweifel, daß er der war, als den Milló ihn vorstellte. Er war groß und breitschultrig, und sein ehemals feingeschnittenes Gesicht war von langen Kriegs- und Lebensjahren verwittert.
    »Ihr seid Don Jacobo Espengler?«
    »Zu Euren Diensten, Maestre.«
    »Was habt Ihr mir auszurichten?«
    »Dieses. Bei meiner Ehre als Soldat, der Seite an Seite mit den ruhmreichen Arkebusieren Wien verteidigt hat, versichere ich Euch, daß jedes Wort wahr ist.«
    Sarmiento nickte. »Sprecht.«
    »Ich kann Euch keine genauen Zahlen nennen, aber nach allem, was ich gesehen habe, sind zwischen hier und Trebinje etwa dreißigtausend Mann Fußtruppen, sehr viele Kanonen, einiges an Reiterei und ausreichende Mengen an Pulver, Kugeln und Vorräten zusammengezogen. Man wird Euch, wenn alle restlichen Vorbereitungen abgeschlossen sind, vom Land und vom Wasser her angreifen.«
    »Damit ist zu rechnen.«
    »Dies, caballero , ist das Angebot der Türken: Ehrenhafte Übergabe der Waffen bei Zusicherung freien Abzugs auf eigenen oder fremden Schiffen und Räumung der Festung. Oder Kampf bis zum letzten Mann und der Tod.«
    Sarmiento betrachtete Bekim, aber seine Worte waren an mich gerichtet. »Ihr kennt meine Antwort.«
    »Sagt sie mir trotzdem.«
    »Ein tercio ergibt sich nicht.«
    »Ich habe es dem türkischen Kommandanten schon gesagt.«
    »Dann wiederholt es für ihn. Geht mit Gott.«
    Die Spanier gingen zurück in die Festung; das Tor schloß sich hinter ihnen. Bekim und ich stiegen auf die Pferde und ritten durch die beginnende Dämmerung zur türkischen Stellung.
    Der Offizier kam uns entgegen, zu Pferd; neben ihm ritten vier andere Soldaten. »Wie lautet die Antwort?« sagte er, als wir ihn erreicht hatten.
    »Wie erwartet. Ein spanisches tercio ergibt sich nicht.«
    Der türkische Hauptmann seufzte. Im Dämmerlicht glitzerte etwas in seiner Hand. Ohne ein weiteres Wort beugte er sich zu mir herüber und rammte mir einen Dolch in den Oberschenkel.
    Bekim stieß einen Schrei aus; ich biß die Zähne zusammen, um nichts zu sagen.
    »Ich bedaure«, sagte der Türke. »Dies war die Anweisung von meinem Herrn Karim Abbas. Du, Herr, wirst mit dem da« – er deutete mit dem Kopf auf Bekim – »zurück zu den Spaniern reiten. Die Wunde soll dich an dies und das erinnern, schreibt Karim; und sie soll dich daran hindern, Herceg Novi vor der Schlacht zu verlassen.« Leiser setzte er hinzu: »Befehle, denen ich ungern gehorchen muß.« Er schnalzte, wendete sein Pferd und ritt zurück zur Schanze.
    Ich preßte die rechte Hand auf die Wunde; mit der linken wühlte ich in der Satteltasche nach meinem zweiten Hemd. Als ich es gefunden hatte, nahm ich es zwischen die Zähne, zerriß es und sagte: »Bekim, hilf mir.«
    Er war bereits abgestiegen und kam zu mir. »Bleib im Sattel«, sagte er. »Laß sehen.« Mit dem Messer trennte er mein Hosenbein auf.
    Die Wunde sah beinahe schön aus, glatt und sauber. Das Blut floß, aber es schoß nicht.
    »Fleisch«, sagte Bekim. »Keine große Ader. Hast du es am Knochen gespürt?«
    Ich schüttelte den Kopf und biß die Zähne zusammen; erst jetzt machte sich der wirkliche Schmerz bemerkbar – bisher war es nur ein zunächst kühles, dann immer heißeres Unwohlsein gewesen.
    Bekim wickelte mir die Hemdfetzen um den Oberschenkel. Dazu mußte ich das Bein anheben, und ich tat es nicht gern.
    »Und jetzt?« sagte er, als er fertig war.
    »Zu den Spaniern.«
    Er stieg wieder auf, und langsam ritten wir zurück zur Festung. Bekim murmelte unausgesetzt vor sich hin – albanische Flüche, wahrscheinlich; ich verstand kein Wort. Ich hätte wohl auch keine andere Sprache verstanden, da ich meine ganze

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